336. Die Hexen.

[228] Wer eine Hexe werden will, ergibt sich dem Teufel und schwört Gott ab mit diesen Worten:


Hier trete ich in dieses Nest,

und verlasse unsern Herrn Jesu Christ!


Dann gelingt die Zauberei, worin sie sich einander unterrichten und die sie von dem Teufel lernen, der zu ihnen kommt. In der Johannisnacht, auch in der Mainacht, halten sie ihre Zusammenkünfte und Tänze. Das geschah bei Schleswig auf der Kropperheide und auf dem Priserfelde oder Priserberge. Bei Schuby zeigt man auf der sogenannten Brutkoppel noch den kleinen Pisberg, wo auch die Hexentänze geschahen. In Holstein versammelten sie sich auf dem Blumenberge bei Finzier, nicht weit von Oldesloe oder dem bei Süsel. Von da kommen sie immer todkrank nach Hause. Die aber, welche auf dem Rugenberge bei Heiligenhafen, auf dem Lütjenbroder Felde an der Ostsee, einem großen Grabhügel, sich versammelten, spürten keine Müdigkeit darnach und niemand konnte ihnen am andern Morgen was anmerken. Es wird aber auch von allen Hexen erzählt, daß sie am Wolbersabend nach dem Blocksberge geritten seien. Niemand darf sie an dem Abend hindern und wer ein Kreuz über die Tür macht, durch die sie abfahren müssen, erfährt nachher ihre Rache und wird durchgeprügelt. Sie fahren zu den Schornsteinen und den Eulenlöchern hinaus, und reiten auf Besen, Ziegenböcken, Katzen, Hähnen, alten Säuen, Eseln und bunten Hunden, die der Teufel ihnen oft schickt. –

Von dem Fest auf dem Rugenberg wird nun so erzählt: Sobald die Hexen jede auf ihre Weise da angelangt sind, bereiten sie sich eine Mahlzeit, entweder aus Gänse- oder aus grünem (frischgekochtem) Ochsenfleisch und besprengen es mit Senf. Dazu essen sie Grapenbrote und trinken Bier aus hölzernen oder zinnernen Schalen. Den Kessel bringt der Teufel mit[228] aus Lütjenbrode. Dann beginnt der Tanz, jede Hexe tanzt mit ihrem Teufel, ein altes Weib singt dazu und zwei Kessel werden geschlagen: auf den Bergen umher leuchten die Feuer dazu. Wer in die Nähe kommt, wird mit in den Kreis hineingezogen und so lange herumgeschwenkt, bis er atemlos niedersinkt. Sobald es Tag wird, verschwindet alles. Am andern Morgen findet man auf dem Berge Spuren von Federvieh, von Pferde- und Ziegenfüßen und in der Mitte liegt ein Häuflein Asche.

Die alte Wiebke Thams in Lägerdorf, Herrschaft Breitenburg, erzählte: Vorzeiten wären da bei dem Dorfe die Hexen in der Johannisnacht auf freiem Felde verbrannt. Das wäre nun freilich nicht eigentlich geschehen, sondern auf diese Weise. Auf einer Koppel machte man ein großes Feuer an; darüber hängte man an einem Querbaum zwischen zwei großen Seitenpfählen einen Braukessel mit Bier auf. Daraus schöpfte man mit Bierkannen und trank das warme Bier. Alt und Jung, das ganze Dorf nahm an diesem Feste teil. Dann und wann ging eine gewisse Frau etwas vom Feuer weg und rief: »Kummt hęr jü ole Hexen 'rint Füer!« Und das hätte man das Verbrennen der Hexen genannt.


Nach mündlichen und schriftlichen Mitteilungen. Hexenprozeßakten in Mskr.; gedruckt in (Niemann) Blätter für Polizei und Kultur 1799, I, 64. Provinzialberichte 1812, 303 1817, 174. Staatsbürgerl. Magazin IV, 475. VI, 703. VII, 745. X, 608. 1004. Schlesw.-Holst. Anzeigen 1841, Nr. 32 ff.

Quelle:
Karl Müllenhoff: Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. Kiel 1845, S. 228-229.
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