338. Hexen erkannt und belauscht.

[229] Wenn man ein altes Weib für eine Hexe hält, so braucht man nur eine Hand voll Salz ihr nach zu werfen, um sie zu erkennen. Denn ist[229] sie eine Hexe, so muß sie sich umsehen; oder will eine, die man in Verdacht hat, in die Tür treten, so braucht man ihr nur einen Besen verkehrt in den Weg zu legen und sie kann nicht eintreten, wenn sie eine Hexe ist. Man kanns aber auch so machen, wie einmal ein paar junge Knechte taten. Die gingen in der Johannisnacht hinaus auf eine Wiese und wälzten sich nackend im Tau. Sonntags darauf gingen sie in die Hüttener Kirche, sie dienten da in der Nähe, und sahen nun, daß jede Frau, die eine Hexe war, eine Milchbütte auf dem Kopfe trug, und das waren damals sehr viele Frauen und Mädchen.

Ein paar junge Bauern beschlossen einmal in einer Johannisnacht die Hexen zu belauschen. Sie spannten ihre Pferde vor ein paar Erbeggen, und zogen damit auf der einen Seite des Dorfs hinaus, der eine rechts, der andere links. Sie fuhren um das Dorf herum, bis sie auf der andern Seite wieder zusammen kamen. Den Kreis, der nun ums Dorf gezogen war, durften die Hexen nicht überschreiten. Nur ließen sie einen schmalen Ausgang; da erwarteten sie die Hexen, indem sie die beiden Erbeggen schräge gegeneinander stellten und sich darunter legten. Um Mitternacht flogen die Hexen zu allen Schornsteinen hinaus, auf Besenstielen und Forken. Sie kamen alle an ihnen vorüber; da erkannte der eine seine eigne Frau: »Kummst du ok, mien ole Möm?« sagte er und war verraten. Da stürzten die Hexen auf ihn los und drückten ihm die spitzen Eggennägel in den Leib, weil er so unbesonnen gewesen war, die Zinken nach innen zu kehren. Er kam nicht mit dem Leben davon.

Wenn man die Hexen tanzen sehen will, so muß man ein altes Brett von einem Sargdeckel nehmen, aus dem ein Knast herausgestoßen ist, und durch das Loch schauen.


Aus Niederselk durch Kandidat Arndt. – Dieselbe Erzählung kennt man an mehreren Orten, in der Herrschaft Breitenburg, Dithmarschen etc.

Quelle:
Karl Müllenhoff: Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. Kiel 1845, S. 229-230.
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Plattdeutsche Legenden und Märchen: aus: Karl Müllenhoffs Sammlung (1845): Sagen, Märchen und Lieder der Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg
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