351. Die Windknoten.

[237] In Siseby an der Schlei wohnte ein Weib, das Zauberei verstand und den Wind drehen konnte. Die Schleswiger Heringsfischer pflegten oft da zu landen. Einst wollten sie nach Schleswig zurück; da war Westwind; darum baten sie das Weib den Wind zu drehen. Sie sagte es zu für ein Gericht Fische und die Fischer boten ihr Heringe, Brassen, Barse und Hechte; andre Fische hätten sie nicht. Darauf gab sie ihnen ein Tuch mit drei Knoten und sagte, daß sie den ersten und den zweiten öffnen könnten, den dritten aber nicht eher, als bis sie Land hätten. Die Fischer spannten die Segel auf, obgleich noch Westwind war; als aber der älteste der Gilde den einen Knoten öffnete, kam alsbald ein schöner Fahrwind aus Osten. Er öffnete den zweiten; da hatten sie Sturm und kamen mit der größten Schnelligkeit nach der Stadt. Nun waren sie neugierig, was es wohl werden würde, wenn sie auch den dritten öffneten. Kaum geschah das, als ein fürchterlicher Orkan aus Westen über sie herfiel, daß sie eilig ins Wasser springen mußten, um ihre Schiffe ans Land zu ziehen.


Aus Fahrdorf bei Schleswig durch Kandidat Arndt. Aeolus' Schlauch. – Thiele, Danm. Folkes. II, 52. Grimms Mythol. S. 606.

Quelle:
Karl Müllenhoff: Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. Kiel 1845, S. 237-238.
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