1.

[251] Einmal hatte ein Bauer in Lägerdorf ein wunderbares weißes Pferd. Es war sonst ein zahmes, ruhiges Tier, ein tüchtiger Arbeiter und der Bauer hielt viel darauf. Aber im Anfang konnte er doch gar nicht klug daraus werden. Jedesmal mittags um zwölf Uhr ließ es sich auf keine Weise vor dem Pfluge, dem Wagen oder im Stalle halten; es zerriß Stränge und Stricke und rumorte so lange, bis es frei kam, und sprengte[251] dann wiehernd davon, und zwar jedesmal der Lägerdorfer Tannenkoppel zu. Hier rannte es immer auf einer Stelle im Holze mit unglaublicher Schnelligkeit eine Stunde lang im Kreise rund herum, bis es endlich atemlos und schweißtriefend stille stand. Dann verschnaufte es sich und ging darnach ruhig wieder nach Hause, als wenn nichts vorgefallen. Man ließ das Tier gewähren, aber niemand wußte seine sonderbare Eigenschaft zu erklären. Ein Junge war endlich tollkühn genug, sich auf das Pferd zu setzen und den Ritt in der Tannenkoppel mitzumachen, wobei ihm Hören und Sehen verging. Er behauptete aber, daß sich ein altes häßliches Weib vor ihm auf den Hals des Pferdes gesetzt und immer Hopp! Hopp! gerufen und da durch das Pferd angetrieben hätte. Das alte Weib sei auch die ganze Zeit in der Tannenkoppel auf dem Pferde gewesen. Die meisten Leute leugneten das, aber einige andre wollen das Weib auch dort gesehen haben.


Durch Herrn Ketelsen auf Breitenburg. Vgl. Nr. 153. – In einem Hause in Malkwitz, wo früher ein Räuber gewohnt hatte, rumorte es jede Nacht, und oft ist ein Schimmel in der Bodenluke gesehen worden und andrer Hokuspokus mehr.

Quelle:
Karl Müllenhoff: Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. Kiel 1845, S. 251-252.
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