380. Der Lindwurm in Eckwadt.

[254] Vorzeiten hatte hinter der Eckwadter Kirche ein Lindwurm seine Höhle oder sein Lager. Er war ein übler Gast und Nachbar; er raubte in der ganzen Umgegend so viel Vieh vom Felde, als er nur immer wollte; kaum verschonte er die Menschen. Doch wagte niemand sich ihm zu widersetzen.[254] Endlich aber verschworen sich zwei Männer, das Ungeheuer zu töten, wenn es auch ihr Leben kosten sollte. Sie ließen sich dazu eine Sense machen, die nicht im Winkel, sondern gradaus am Stiele stand. Damit gingen sie auf den Lindwurm los. Mitten im Kampfe aber verlor der eine von ihnen den Mut und lief weg; der andre im Stich gelassene setzte jedoch mutig den Kampf fort und erlegte den Wurm. Darauf aber erstach er seinen feigen eidbrüchigen Kameraden, der ihn in der Gefahr verlassen hatte.

Andre aber erzählen, daß den Eckwadter Bauern in ihrer Not geraten sei, ein Stierkalb drei Jahre lang mit neugemolkener Milch und Semmelbrot zu füttern und aufzuziehn. Dann sollten sie es auf den Kirchhof führen und da loslassen. Das geschah. Als nun der starke Stier auf dem Kirchhofe allein war, kam der Lindwurm, um ihn als Beute mitzunehmen. Aber der Stier ließ sich nicht so leicht fangen, sondern fiel den Wurm mit seinen Hörnern wütend an und ward nach einem langen fürchterlichen Kampfe Sieger; doch starb er bald hernach an den im Kampfe empfangenen Wunden.


Durch Herrn Pastor Hansen in Jordkirch bei Apenrade. Vgl. Nr. 406. Grimms Deutsche Sagen Nr. 142. Thiele, Danm. Folkes. I, 125f.

Quelle:
Karl Müllenhoff: Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. Kiel 1845, S. 254-255.
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