Erste Scene.

[78] Schloßgarten zu Pfälzel. Ein Springbrunnen im Hintergrunde.


GOLO mit der Laute, spielt und singt.

Mein Grab sey unter Weiden

Am stillen dunkeln Bach!

Wenn Leib und Seele scheiden,

Läßt Herz und Kummer nach.

Vollend' bald meine Leiden,

Mein Grab sey unter Weiden

Am stillen dunkeln Bach.

Wirft die Laute weg. Wer sie nur einmahl recht anfassen, nur ein einzigs Mahl satt an's Herz drücken dürfte, der wär's! Ha für dich ist's leicht sagen, Mathilde: Ritter, entweich' von hier; aber so wie ich .... der Hirsch lechzt nach frischem Trank, muß sterben; zieh' mich weg und ich bin todt. Kann nicht, mag nicht daran gedenken. Nein! nein![78]

Mein Grab sey unter Weiden

Am stillen dunkeln Bach!


Brandfuchs der Gärtnerjunge.


BRANDFUCHS. Husch, husch! Wieder einen Schmetterling, dazu einen recht schönen. Glückt heut allwegs. Steckt ihn mit einer Nadel auf den Hut. Wird wieder eine Freude für Meister Adam seyn, brav hinter'm Glas in seiner Sammlung floriren.

GOLO. Der lustige, freundliche Junge! Hat ihn gekriegt, seinen Schmetterling, hat ihn, ist zufrieden.

BRANDFUCHS. Ha! Auch da? Freundlichen Gruß, Herr Ritter. Gibt ihm die Hand.

GOLO. Wie geht's, Brandfuchs? Wie steht's um die Arie, die ich dir jüngst gab? Hast sie bald auswendig?

BRANDFUCHS. Kann nur so an Feyerabendstunden dran lernen, Tags über treibt mich der Meister zur Arbeit.[79]

GOLO. Meister Adam ist sonst ein Freund vom Singen.

BRANDFUCHS. Das wohl, aber Arbeit, sagt er, geht doch voran.

GOLO. Schon recht. Mach', daß du die Arie bald lernst, kriegst was von mir. Hast lange nicht vor Genovefa gesungen?

BRANDFUCHS. Gestern Abend, grade als ihr der Bothe aus der Armee die Briefe gebracht.

GOLO. Ist ein Bothe von Siegfried ankommen?

BRANDFUCHS. Wißt ihr denn das nicht? Der schwarze Jacob; gnädiger Herr, kennt doch den schwarzen Jacob? Ja, das war auch eine Nachricht, die er mitbrachte! Jetzt geht Alles gut, die Mohren sind jetzt schon so gut wie niedergehauen, all', all' miteinander.[80]

GOLO. Das wäre!

BRANDFUCHS. Glaubt's! Mein Bruder ist glücklich bey der Armee ankommen, mein Bruder und Graf Siegfried mit all' seinen Leuten frisch und Eichelganz. Mein Bruder hat mich grüßen lassen und Ritter Carl hat dem alten Adolf einen Türkensäbel zugeschickt, den er am ersten Tage gleich einem schwarzen Mohrenprinzen abgenommen. Der alte Herr drinnen hat eine absonderliche Freude drüber, will den Säbel gar nicht mehr aus den Händen legen.

GOLO. Hm!

BRANDFUCHS. Daß ihr nur dabey gewesen, anzuhören, was er all' erzählt, ... mein lieber Bruder Christoph – schütz ihn Gott – der gute schwarze Jacob, der mir seinen Gruß überbracht, ich sah ihn zuerst die Brücke 'rein trotten, hab' seinen Schimmel vor Freuden geküßt.[81]

GOLO. Für wen brichst du die Sträuße?

BRANDFUCHS. Einen für unsre liebe Gräfin, den andern für die schöne Fremde, die jetzt hier ist, Gräfin ... wie heißt sie doch? Ueber ihr selbst vergess' ich's immer.

GOLO. Mathilde.

BRANDFUCHS. Recht, eine wunderschöne Dame, so prachtvoll und erstaunlich.

GOLO. Gefällt sie dir?

BRANDFUCHS. Für mein Leben. Verkriech' mich in die Hecke und schau ihr zu halben Stunden nach, wenn sie so stolz im Garten Morgens auf und ab spatziren geht. Der Meister hat mich jüngst 'mahl drum gewammst.[82]

GOLO. Weil du gucktest?

BRANDFUCHS. Nein, weil ich zu lang blieb.

GOLO. Wirst es jetzt satt haben.

BRANDFUCHS. Ein wenig Schläge, was thut's? Guck' wieder, wenn's seyn kann und bin wohl.

GOLO. Wähl' hübsch, schöne große Nelken voll Thau, Genovefa liebt's so. Würdest es schöner machen, Junge, wenn du zur Arbeit eins sängst.

BRANDFUCHS. Wenn ihr meynt, meinetwegen; Gräfin Genovefens Leibstück. Singt und pflückt hie und da Blumen.

An Berg und Hügel hin

Klimm' ich, mein müder Sinn

Schickt seufzend einen Blick[83]

In jenes Thal zurück;

Ach jenes süsse frohe Thal!

Die Lüfte ziehen,

Alle Blumen blühen

Erquickend im Thal.

GOLO. Arzney für ein liebekrankes Herz. Wohin, Junge?

BRANDFUCHS. Hui! Bleib da nicht, die hübsche Dame, dort kommt sie, seht!


Kriecht in die Hecke davon.

Mathilde.


GOLO. Mathilde!

MATHILDE. Guten Morgen, Ritter, seyd aufgeräumt, hörte euch schon ein Weilchen am Brunnen zu singen und spielen. Wie steht's, lieber Golo? Es sind Neuigkeiten aus dem Lager ankommen; weißt es schon? Siegfried hat einen Knecht zurück geschickt, seine glückliche Ankunft bey der Armee anzukündigen.[84]

GOLO. Hab's gehört.

MATHILDE. Carl hat sich schon so brav beym Anfang gehalten; weißt du?

GOLO. Eben darum ritt er mit.

MATHILDE. Meines Bruders Freude hat mich neidig gemacht. Carl, den ersten Tag einen Sarazenen- Obersten im Angesicht des Feindes zu schlagen, Waffen und Fähnlein in's christliche Lager herüber zu bringen! Niemand hab' ich noch so beneidet, als ich meinen Bruder beneidete, da er dieß von seinem Carl gerühmt.

GOLO. Laßt's, meinetwegen.

MATHILDE. Hätt' ihm so gern jemand entgegen setzen mögen, schämte mich ...[85]

GOLO. Hölle! Kommt ihr wieder daher?

MATHILDE. O Golo, du zerreissest mir das Herz, machst mich zum schwachen gemeinen Weibe vor der Welt; bitte dich, mein Lieber, denke einen Augenblick zurück, ist's möglich? Du hier? Jetzt? Zwischen diesen rostigen Mauern? Ein Carl soll dir draussen die Ehre wegreißen, die dir allein gebührt? Was soll ich – – Ich habe dir jüngst alles Mögliche schon gesagt, kann nichts als hier wiederhohlen. Golo, du weißt, was ich bisher für dich gethan. Wohlthaten einem vorrücken heißt sich doppelt bezahlen lassen; ich thu's, um dir noch größre zu erweisen. Laß dich erbitten! Du siehst mein Leiden, Golo, ich beschwör' dich, ja bey Allem, was du mir schuldig bist: tritt in die Ehrenbahn zurück, verlass' diese schimpfliche Unthätigkeit, in die du versunken, fass' auf dein Glück am Zügel, die Trompete bläst, in's Feld, Golo, in's Feld! Golo will ab. Nein, hier vom Fleck nicht so geschwind!

GOLO. Was wollt ihr mit mir? Laßt mich einmahl zufrieden, ich bitt' euch darum.[86]

MATHILDE. Golo!

GOLO. Wuth und Tod!

MATHILDE. Golo!

GOLO. Bin ich euch schuldig, laßt mich abzahlen, wo ich kann, verkauft mir Ruh und schlagt an, so hoch ihr's wollt.

MATHILDE. Du bist mir nichts schuldig, Golo, du bist mir Alles schuldig! Ich mag nicht mit dir rechnen; ich habe dir eine Stelle bey der Armee ausgemacht, dachte: meinen Golo muß das freuen; wie ich dich damahls noch kannte, glaubt' ich's gewiß. Dir gefiel's aber nicht. Tausend Andre hätten freylich zugegriffen, gerne aufgefangen, was du so nachlässig von dir warfst; es gefiel dir nun nicht, du lässest es. Ich seh', daß eine gefährliche Leidenschaft hier deine Kraft anfrißt, ich eile herbey, dich zu retten, biethe dir an, was dem[87] Herzen eines stolzen Ritters schmeicheln kann; willst du nicht in den Krieg hin, (ob es gleich eine Schande ist, Nein zu sagen) wohlan, ich rüste dich standesmäßig aus mit Roß und Knecht, mit Rüstung und kostbarer Kleidung, zieh' hin durch die Welt, versuch's herum, durch Italien, mach deinen Namen an manchem auswärtigen Hofe bekannt; nur hier Pfälzel verlass' mir, Pfälzel, das Grab, worin all' deine Kräfte modern.

GOLO. Hebt Berge weg! Unmöglich.

MATHILDE. Denk', es muß seyn und reiß' dich los.

GOLO. Habe Siegfried mein Ehrenwort gegeben, hier zu bleiben und während seiner Abwesenheit alle Landesgeschäfte zu treiben.

MATHILDE. Schau' mir einmahl recht in die Augen, Golo! Wie? Müßt' es Siegfrieden nicht im Grunde sehr lieb seyn, wenn du so bald als möglich gingest? Ha! Meynst du, ich bin blind, habe nicht durchgesehn, um welche Zeit es bey dir ist?[88]

GOLO. Seht, was ihr wollt, ich bleibe.

MATHILDE. Wirklich?

GOLO. Ja wirklich. Spannt eine Kette von Teufeln herum, sollen mich alle nicht aus der Stelle bringen.

MATHILDE. Wäre Rath, noch ohne einen Teufel in's Spiel zu ziehn, lohnte es nur der Müh'.

GOLO. Was quält ihr mich denn ewig, wo mir wohl ist? Wer bekümmert sich um euch?

MATHILDE. Nun bleib', bleib'.

GOLO. Gewiß, das will ich auch und Niemand soll mir's wehren.[89]

MATHILDE. Leicht wär' es, keine Sylbe weiter über all' das zu verlieren; bleib' denn, Elender, zehre dich auf, verschmachte, lächle immer dem Feuer zu, das deine besten Kräfte wegschmilzt; was liegt mir von nun an an dir? Zu was hab' ich dich erzogen? Ist's nun mein Dank, meine Hoffnung .... weh mir! – Aber sollst mir doch nicht zu deinem Zweck gelangen; nein, will dich hier so lange schütteln und rütteln, bis du aus dieser Ohnmacht wieder zu dir selbst zu Sinnen kommst; Genovefa soll gleich heut noch fort in's Kloster.

GOLO. Wag's! Greift an's Schwert.

MATHILDE. Und Siegfrieden – ich selbst benachrichtige ihn von deiner Liebe.

GOLO. Hölle! Zieht das Schwert halb hervor und stößt es wieder zurück.

MATHILDE. Her mit der Spitze, meine Brust hier ist frey, verzeihen will ich's dir noch lieber, als diese niederträchtige Aufführung.[90]

GOLO. Du trotzest auf Manches und ich muß dir's erlauben. Aber ah! Wag's, Genovefen nur mit einem Finger zu berühren, und wir sind dann auseinander, ganz!

MATHILDE. Ha!

GOLO. Will Alles vergessen, was ich dir schuldig bin, will ....

MATHILDE. Verachte dich nun schon zu tief. O daß du so in der Blüthe, im Flug stolz auffahrender Jugendhoffnungen immer noch unter meinem Plane schwebst! Was wollt' ich nicht aus dir bilden! Aber dahin! Ich muß scheitern, wenn die, um derentwillen ich Schweis vergieße, mir selbst das Ruder aus den Händen schlagen und schreyn: wir wollen nun mit Gewalt zu Boden! Hinzuliegen in der Zeit, eines Weibes Gunstbezeugung zu erbetteln, zu der du im Grunde nicht einmahl Hoffnung hast, daß sie dir je auch nur Gott helf sage.[91]

GOLO stampft und knirscht. Wer fragt um Hoffnung! Teufel! Hoffe und verlange nichts!

MATHILDE. Desto übler verliegst du deine Zeit hier. Aber nein, gesetzt auch, im glücklichsten Fall, du überlistest sie, dringst auch endlich in ihrer Gunst durch; was ist's nun, daß du so lange Kraft und Leben, was Tauglicheres durchzusetzen, verschwendet? Monate, Jahre durch das Aeffchen eines Weibes zu machen, nach ihren Launen und Grillen, (so krüpplicht und schief die oft sind) deine Männlichkeit zu winden und zu drehen? Wärst du nicht so tief verliebt, daß man in deine Leidenschaft hinein wie in einen Ziehbrunnen schauen könnte, ohne irgend wo Grund zu finden, wär's nur erkrankte Begierde, Hunger nach ihr: ich selbst wollte Hand anschlagen, schauen, wo dir zu helfen wäre. Aber so, wo du hinsinkst, immer mehr und mehr in dir selbst erschlaffend, bis keine Kraft von aussen dich mehr zu spannen vermag: dann sey auch aus meinem Herzen, glatt aus meinem Gedächtnisse weggewischt. Du hast keine Aeltern, Geschwister, Verwandte; ich bin's, die dich von Jugend auf erziehen ließ, mich deiner Verlassenheit annahm, ich, die den Ritter Golo aus dir gemacht. Mit meinem zunehmenden Glück wuchs immer das deine, ich war's[92] und bin's noch, die immer für dein Wohl sorgt. Was für Plane entwarf ich, dich auf eine Höhe hinauf zu bringen, von da herab du auf all' deine Feinde spotten könntest! Herzog Conrad von Schwaben buhlt um meine Neigung, Hidulf von Trier regirt ihn ganz und ich den Bischof nach meinem Willen; deinetwegen spann ich's an, der Herzog ist alt, ohne Erben, du Golo warst es, bist es, auf dessen Haupt ich den Herzoghut setzen will.

GOLO. Schweig'! Bitte dich, schweig' doch!

MATHILDE. In den Krieg hinein mit ihm, wo ihn sein Feuer adelt! Der Herzog soll da im Voraus meinen Golo kennen lernen, sich in ihm und seinem Wesen verlieren.

GOLO. Willst du mich ermorden? Hör' auf!

MATHILDE. Deinetwegen ging ich eine Heurath ein, die mein Herz verabscheut. Golo läuft davon. Er rennt davon,[93] der Tolle. Aber was hilft's? Er steckt jetzt einmahl zu tief, werde ihn schwerlich so herausreißen, viel eher ihn ganz ... Wie denn? Stampft. Wie helf' ich denn? Wenn er nur nicht so schwärmerisch, so unsinnig zwecklos in Tag hinein ... Ich muß suchen, wie ich es anders drehe, dem Ding hier ein Ende zu machen; will ihn hier nicht so ganz verloren aufgeben; Alles lieber gewagt, koste es auch, was es will. Ab.


Quelle:
Friedrich Müller (Maler Müller): Werke. Heidelberg 1811, S. 78-94.
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