Fünfte Scene.

[130] Dragones Zimmer.

Wallrod, Dragones.


WALLROD. Haben's nun lange genug mit einander überlegt, die Uhr hat bereits mit träger Zunge Mitternacht ausgesprochen, laßt hören, wie euch meine Gründe einleuchten.

DRAGONES. Wohl gesagt ist Alles, ein ruhig Gewissen ist feiner als Gold, ich fühl's nun ganz und gar in mir selbst, werde euern Vermahnungen folgen, der Bekanntschaft von nun an müßig gehn, bereun, was ich der Zeit gethan, von Herzen, will die von euch mir aufgelegte Pönitenz treulich verrichten. Aber euch statt meiner jetzt um die bestimmte Stunde unsrer heimlichen Zusammenkunft in Mathildens Zimmer zu führen, däucht mich zu gefährlich, es ließe sich vielleicht besser einrichten, überlegt's einmahl.

WALLROD. Siehst du, das ist wieder Sündenschwachheit an dir. Vorhin willigtest du ein, warst stark, jetzt reut's dich wieder. Was kann man von solcher Buße hoffen?[131]

DRAGONES. Seyd nicht zu strenge.

WALLROD. Was strenge! Müßtest du Vater und Mutter verläugnen, wär's hier um Weib oder Kind zu thun, dann wollt' ich's gelten lassen, daß du zurückscheutest: aber hier ist es Schande, um so etwas auch nur einen Augenblick anzustehn. Es muß dir wenig an der Ruhe deiner Seele liegen, daß du auch so etwas nicht einmahl darüber wagen magst.

DRAGONES. Ihr wißt es besser; wenn ihr also sehr darauf besteht, hinzugehn, und einen Beweis meines Abscheus daraus ziehen wollt, bin ich zu Allem bereit. Eben jetzt ist's die rechte Stunde.

WALLROD. Eine Stunde des Heils, laß uns die nicht versäumen.

DRAGONES. Einen Augenblick Gedult, ich will voran, die Leiter erst anstellen, wahrnehmen, ob's auch überall[132] sicher ist, mich dünkt, ich höre draussen Hund' anschlagen. Ab.

WALLROD. Der größre Sünder legt geringerm Pönitenz auf, läßt Andre für seine eignen Verbrechen mit büßen. Es ist der Dinge Gang, der das Gerade oft unter's Krumme hinschleift, wie leichte Strohhalme durch einander. Ha Mathilde, du raubst mir auch noch die Hoffnung zur Seligkeit einst, ich bin deinetwegen schon Alles geworden, hast mich mit Lastern verwandt, zu denen nie vor Neigung in meinem Herzen lag. Rache! Rache! Bald nun über dich so, geleitet selbst von der Hand ... von ihm – ah! Stähle dich, Herz! Ohr, sey fest in dieser Stunde, laß das Gift ihrer schlüpfrigen Zunge nicht in dich hinein! Augen, vermeidet ihren Zauber, Schlangenstichen ähnlich, ähnlich dem Sirenengesang, der das Herz entmannt. Ich will sie hinterrücks anfallen, eh' die Medusa mit ihren Blicken mich versteint. – Mein Führer winkt. Ab.


Quelle:
Friedrich Müller (Maler Müller): Werke. Heidelberg 1811, S. 130-133.
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