Fünfte Scene.

[175] Mathildens Zimmer.

Golo, Mathilde.


GOLO. Genovefen im Zimmer bewachen?

MATHILDE. So lange nur, bis wir Maßregeln genommen, was in der Sache weiter zu wenden. Dragones sitzt schon auf dem Thurm droben, er soll dort bekennen, was wir wollen und brauchen. Daß du doch so unüberlegt, übereilt ... warnte dich vorher, mir ahndet' es,[175] drum war ich auch so gleich bey der Hand. Gut noch, daß es nicht schlimmer abgelaufen. So wie jetzt die Sache steht, läßt sich Alles wenden und drehen. Genovefa muß sich jetzt kurz entschließen.

GOLO. Was hab' ich angefangen? Was hast du aus mir gemacht? Wohin mich gebracht? Oh!

MATHILDE. Schnaufe ein wenig aus, daß du erst zu Sinnen kommst.

GOLO. Dacht' ich doch, du wärst Genovefa's Gesinnung gewisser.

MATHILDE. Dachte! Immer denkst du nach deiner Manier und willst, daß Alle drein passen; hättest du den rechten Augenblick abgewartet, es wäre auch gedacht gewesen und stünde vielleicht jetzt besser. Geh in dein Zimmer, zu Bett, der heftige Jast hat deine Lebensgeister zu stark aufgeregt, bis du den Taumel verschläfst; morgen früh soll schon die Sache anders stehen.[176]

GOLO. O sänk' ich doch nur gleich tief bis in den Mittelpunkt der Erde hinunter, mir selbst und Allen auf ewig vergessen! Ab.

MATHILDE. Alberner Narr! Deine Unüberlegtheit, was macht mich die schwitzen! Und was mich noch am meisten peinigt: er geht nicht immer den rechten Weg, verdorbnem Handel wieder aufzuhelfen. Alles umher eh' zertrümmern, als sich selbst zertreten lassen! Das ist's, was ihm fehlt; Entschlossenheit, kühler Blut. Da fackelt der Kopf gleich hinauf, hinunter, sieht tausenderley um sich her, nur das Eine nicht, worauf er hauptsächlich merken soll. Wär's jetzt glücklich ausgeschlagen, dann wär' auch Alles gut; aber so, da nun der Kahn auf dem Grunde fest sitzt, eh du Andre, die dir's erschweren, vor dir in die Wellen hinaus schmeissest, dich mit geringrer Last selbst zu retten, bleibst du lieber hocken und verhungerst gar. Narr! Narr! Doch will dich jetzt schon am Schopf festhalten, durch sollst du mir jetzt grade, ohne drüber zu empfindeln. Wie du's eingebrockt, iß auch mit. Thorheit, jetzt länger Maske zu spielen, sie weiß zur Genüge, woran's hängt. Will sie nach unserm Sinn, gut dann für sie selbst und auch uns; wo nicht, weg mit ihr ohne weiteres Bedenken![177] Mit ihr selbst in die Schlinge hinein, die ihre Anklage uns bereitet! Klingelt. Es läßt sich schon was draus schmieden, es soll gehn.


Christine.


CHRISTINE. Was zu Befehl?

MATHILDE. Hinauf! Sage der Gräfin, ich werde sie vor dem Schlafengehn noch sprechen. Nimm diesen Ring, zeig' ihn Steffen, damit er dich die Stiege hinauf läßt. Christine ab. Leute hab' ich, wenn ich will. Es wird ohnehin überall jetzt von diesem Vorfall gesprochen werden, es waren der Zeugen zu viel. Mein Ansehn, Credit, Golo's Ehre, Glück, Alles liegt hier in der Wage. – Ja, das muß gleich ... heut Nacht noch. Wallrod soll mir ein Protocoll schmieden, im Fall Genovefa jetzt weigert, morgen gleich gegen sie anzurücken; das Prävenire hier, sonst ist's vorbey. Ich habe ja Leute genug zur Hand, die bezeugen müssen, was ich will, der Dragones hat's nachher im Kerker so gestanden. Vielleicht jag' ich ihr einen Schreck ein und die Sache vermittelt sich desto eher. Klopft. Wallrod! Mach' auf! Wallrod! Ich bin's! – Dragones muß[178] bald weg aus dem Spiel. Was thut's? Ein gejagter Löwe zertritt oft kleine Heerden auf seiner Flucht. – Hörst du, Wallrod!


Wallrod in Ritterkleidung.


WALLROD. O meine Wonne! Hängt ihr am Halse. Ich dachte, du kämst heute nicht zu Hause, so sehr lang ward mir die Zeit nach dir.

MATHILDE. Wallrod, hast du mich lieb?

WALLROD. Machtweib, das mich durchlebt vom Wirbel bis in die Zehe hinunter, mit meinem Seyn wie mit einem Ball spielt!

MATHILDE. Wallrod, bin in Aengsten, es steht gefährlich um deine Mathilde.

WALLROD. Wer stellt dir nach, Liebe? Was ist's? Sage mir's.[179]

MATHILDE. Ach!

WALLROD. Seufze nicht, du machst mich verzweifeln, machst mich wüthen.

MATHILDE. Will's jetzt erkennen, ob du mich wahr liebst.

WALLROD. Sag's doch. Liebchen, hinein, unter der Decke drin erzähle mir umständlich deinen Gram.

MATHILDE. Lieber, wir müssen vor noch ein Weilchen wachen und arbeiten, eh wir zusammen – Küßt ihn. Hab' ein Geschäft, wobey du mit helfen mußt. Willst du?

WALLROD. Für dich! Um dich! – Beyde ab.


Quelle:
Friedrich Müller (Maler Müller): Werke. Heidelberg 1811, S. 175-180.
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