Erste Scene.

[219] Französisches Lager. Vor Siegfrieds Zelt.


STEFFEN. Glücklich endlich hier im Lager angelangt und, was noch glücklicher, auch sogleich Siegfrieds Zelt gefunden. Ich muß doch zuvor noch 'mahl meine Instruction übersinnen, die schöne Summe habhaft zu werden, die mir am Ende meiner glücklich ausgerichteten Commission seyn soll. – Erstlich ist meine Botschaft für Siegfried nicht sehr erbaulich, ihm ein Diplom einzuhändigen, das ihn mit allem Respect so in den großen Hahnrey-Orden rectifizirt. Das Präsent, das da zu erschnappen, gönn' ich jedem Andern gern, also weg damit. – Gesetzt, ich wollte auch das heroische Abentheuer bestehn, mich zur unterdrückten Unschuld seines Weibes schlagen – wäre sie nicht unschuldig, nicht nöthig hätte man dergleichen Sprünge zu machen, das merk' ich schon – was käme aber Guts für mich dabey heraus? –Mühe, Schweis, Verdruß, am Ende etwa gar noch,[219] daß bey so schöner Gelegenheit von Untersuchen meine alten Stückchen genauer aufgerüttelt und fein kostbar am Tag revidirt würden; dann wären nachher vielleicht Staupbesen und glühend Eisen auf'n Rücken die herrlichen Regalien, deren ich mich zu erfreuen hätte. Nichts, Steffen! Weislich bey der andern Parthey geblieben, das schützt besser. – Laß sehn, was ich jetzt in Acht zu nehmen habe. Gibt der Graf gleich schriftliche Antwort zurück, gut; gibt er keine, was dann, Steffen? Spann' an jetzt. – Hm. – Ja, recht so! – Wenn der Graf bey Lesung des Schreibens in Verwirrung ausschlägt und schreyt: sterb' die Metze! oder: den Tod verdient! Sie soll nicht mehr leben! Das Tageslicht nicht mehr schauen! – wie denn dergleichen erbauliche Ausdrücke mehr lauten, die einem bey der Gelegenheit so leicht über's Maul herwachsen – dann herbey, Steffen! Hinzu, fingre ihm hurtig das fertige Todesurtheil in die Hand, das Bley dazu und, dictum factum, eingeschoben und warm zurück getragen; dann ist der dicke, schwere gewonnen. – Da kommt eben einer aus dem Zelt heraus, muß sehn, ob ich ihn kenne. – Guter Freund, das ist ja Graf Siegfrieds von Pfälzel Zelt?


Christoph.


CHRISTOPH. Ey, grüß dich Gott, Steffen! – Wo reit't dich böse Wetter her?[220]

STEFFEN. Christoph! Tausend Schwerenoth, kenne dich jetzt erst! Wie schlägt's zu im Mohrenkrieg? Brav Beute gemacht, Halunke?

CHRISTOPH. Ziemlich. Herein in's Marketenderzelt dort, müssen vor eins zusammen saufen, eh wir weiter reden.

STEFFEN. Hohl's der Teufel! Wenn man bey solch einer Vettel dient, wie ich, da liegt man daheim immer wie 'ne Sau am Troge.

CHRISTOPH. Habt dafür auch Gedeihn an Speck und Schlaf. Allons!

STEFFEN. Hab' dir eine Bestellung an den Grafen zu machen. Ist er daheim im Zelt?

CHRISTOPH. Wider seinen Willen. Ist mit 'nem giftigen Pfeil im Schenkel verwundet, kann dir kaum schnappen;[221] läuft dir nicht weg, wenn du schon ein halb Stündchen später kommst. Allons, eins Brandwein gesoffen, dann fragt sich's nachher besser, wie's der Zeit in Pfälzel ergangen.

STEFFEN. Kann dir Hund nichts abschlagen. Ab.


Siegfried hinkt am Speer vor das Zelt, Carl führt ihn, sie sitzen auf der Bank vor dem Zelte nieder.


CARL. Im Schatten hier aussen ist es angenehm; es thut gut, wenn ihr manchmahl frische Luft schöpft. Munter, aufgeweckt, lieber Vetter!

SIEGFRIED. Carl, mich kann nichts recht aufmuntern, es steckt in mir. Habe lange schon keine Bothschaft von daheim her, wenn nur da nichts derzeit passirt.

CARL. Ach nein! Sie schreiben eben nicht, weil sie unsre baldige Rückkunft jetzt hoffen. Das Stillliegen an eurer Wunde macht euch verdrießlich, das ist's allein;[222] sobald sich eure Umstände bessern, reisen wir. Der Friede ist nun sicher geschlossen, hab's heut Morgen in des Königs Zelt erfahren. Die Mohren gehn Alles ein, was ihnen Frankreich oder die ganze Christenheit überhaupt jetzt vorschreibt; die letzte Bataille hat Alles zu unserm Vortheil entschieden. Gott die Ehre, der uns so herrlichen Sieg verliehn!

SIEGFRIED. Wahr ist's, ihr habt euch zusammen Alle wacker halten, ihr Brüder! Carl, habe viel Freude an dir erlebt.

CARL. Spaß! Meine Tapferkeit war ein Auflesen hinter euch her, wie das Aerndtemädchen hinter des Meyers Sense; ihr wart immer voran.

SIEGFRIED. Nein, daß du den Riesen im Zweykampf erlegt und all' seine Rüstung erbeutet, samt dem Elephant, der sein Waffenträger war – der König hat's hoch aufgenommen und die ganze deutsch Ritterschaft ehrt dich drum.[223]

CARL. Hätte doch jedem Andern Gott auch das Glück verleihen können. Was geschehn ist, ist geschehn. Wie wär's, wenn wir so in Pfälzel eingezogen, was sie da sollten für Augen gemacht haben, absonderlich Adolf, wenn er den Elephanten gesehn.

SIEGFRIED. Der König, hör' ich, behält deine Beute, du aber führst von nun an in deinem Wappen einen Elephanten, der Riesenwaffen trägt.

CARL. Ist mir auch lieber so als in Natura; todt schlagen möcht' ich die arme Bestie nicht gern, und sie ernähren ... er fräß mir ja mein Bischen Einkommen auf, das knapp genug ist.

SIEGFRIED. Es soll dir schon gedeihn. – Meine Wunde brennt. Fürchte, daß ich über Winter nicht heim nach Hause komme.

CARL. Ihr habt ja die beste Versicherung von Heinrich; was thut's denn auch, ein paar Monate früher oder[224] später? Meine Brüder und ich verlassen euch nicht, so lange es währt; kommen wir, so kommen wir hernach auch mit desto mehr Freude. Denkt daran.

SIEGFRIED. Carl, ich wollte dich um was gebethen haben.

CARL. Was in der Welt nur ist, das euch zufrieden macht und ich thun kann.

SIEGFRIED. Reit' ohne Umstände und ohne jemand was zu sagen jetzt gleich voran Pfälzel zu; sieh, wie's zu Hause steht und was meine Genovefa macht; hab' auf dich mein Vertraun. Schick' mir nachher Antwort entgegen, oder komme selbst wieder bis Strasburg zurück, wohin ich mich langsam bringen und völlig auscuriren lassen werde.

CARL. Herzlich gern. Vetter, ich lieb' euch aus voller Seele, ihr müßt's wissen, bliebe gern um euch hier, es sollte mich gewiß kein Warten verdrießen, wär's auch noch so lange; aber, gestehn muß ich doch, ihr[225] habt mir's recht aus dem Herzen gehohlt, da ihr mir diesen Auftrag macht. Ich geh mit aller Lust meinem lieben Pfälzel zu, in einem Viertelstündchen bin ich schon dahin unterwegs.

SIEGFRIED. Wähle dir zwey Knechte zum Geleite, welche du willst.

CARL. Wollt ihr mir etwa Briefe an eure Gemahlin mitgeben?

SIEGFRIED. Diesmahl nicht. Reite nur so, grüß Alle mündlich, vornehmlich meine Genovefa und Golo; deine umständliche Erzählung von diesem Feldzug wird sie schon doppelt schadlos halten. Verbirg Genovefen meine Wunde, oder wenn du ja davon erzählst, so setz' auch gleich dazu, daß ich aus aller Gefahr sey. Grüß' Adolf vielmahl.

CARL. Alles, lieber Vetter, und auf's Genaueste. Jetzt geht mir das Herz auf, wie eine Blume im Morgenthau; sehe jetzt so frohe glückliche Aussichten in die Zukunft. Wie wollen wir dann noch vergnügt zusammen[226] leben, wenn wir 'mahl alle daheim ankommen. Gott hat mir eure Liebe zugewandt, ich ehre euch wie meinen andern Vater; ihr habt's jetzt vor Augen gehabt, mein Ritterwesen, wie ich bin. – Adolfs liebes süßes Julchen ist jetzt mein.

SIEGFRIED. So du sie erheyrathest, übertrag' ich dir Adolfs Stelle nach seinem Tode; Schloßhauptmann, samt allen Belehnungen.

CARL. Lohn's Gott, kann dafür nicht gleich danken. Adjes, grüßt mir Ulrich und Bernhard.

SIEGFRIED. Soll geschehn. Reise glücklich und laß mich bald wieder von dir hören. Sie küssen sich, Carl ab. Einbildung nennen sie mein Schwermuth; mag's, mir wird's doch leichter um's Herz, da ich nun den Jungen auf dem Wege hinwärts weiß.


Steffen, Christoph.


SIEGFRIED. Wer kommt mit meinem Knecht? Mir ahndet's Bothschaft von Pfälzel. Steffen dorkelt einen Kratzfuß. Bringst guts Neues für mich?[227]

STEFFEN. Paket an eure Gnaden mit Verlaub.

SIEGFRIED. Von Pfälzel?

STEFFEN. Wenn's euer Gnaden Respect nicht entgegen.

SIEGFRIED. Herein mit. Deinen Arm, Christoph. Hinkt hinein. Wie steht's in Pfälzel? Was macht meine Genovefa?

STEFFEN hinter drein. Steck' nur die Nas' in Brief, wirst's schon schmecken. Will für mein Theil mich nah zur Thür halten, im Fall es zu arg kommt. Ist das Sicherste. Alle ab.


Quelle:
Friedrich Müller (Maler Müller): Werke. Heidelberg 1811, S. 219-228.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Ebner-Eschenbach, Marie von

Unsühnbar

Unsühnbar

Der 1890 erschienene Roman erzählt die Geschichte der Maria Wolfsberg, deren Vater sie nötigt, einen anderen Mann als den, den sie liebt, zu heiraten. Liebe, Schuld und Wahrheit in Wien gegen Ende des 19. Jahrhunderts.

140 Seiten, 7.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon