Dreyzehnte Scene.

[297] Anfang des Waldes. Sandfels auf einer Seite.

Mörder stellt die Fackel an den Felsen, bindet Genovefen das Tuch los.


ERSTER MÖRDER vor sich. Rarer, delicater Bissen! Schwernoth, doch Schad drum. Wann nur wißt', daß der Schindhund mer nit so schnell uf'n Leib käm ... Do iß er schun. – Du, host ke Brandwein?


Zweyter Mörder.


ZWEYTER MÖRDER gibt ihm das Fläschchen. Sauf's nit all'.

ERSTER MÖRDER. Hot schmeckt. – Curagi!

ZWEYTER MÖRDER. Gibs her, noch'n Schluck. – Na, fang weil an.

ERSTER MÖRDER wetzt. Brur, frog 'mohl, ob se schun gebeth't.[298]

ZWEYTER MÖRDER. Vor was? – Hons sunst nie thon, wann mer umbrocht.

ERSTER MÖRDER. Is e ander Korn, morde jetzt gerichtlich.

ZWEYTER MÖRDER. En Teuwel, so oder so. – Her ihr! Faßt Genovefen am Haar. Zieh aus du!

ERSTER MÖRDER. Edel Frau, habt ihr schun bethet?

GENOVEFA. Gott, was macht ihr mit mir?

ZWEYTER MÖRDER. Schneid' zu, Hund! Kehl' 'runter.

ERSTER MÖRDER. Hon e stump Messer.[299]

ZWEYTER MÖRDER. Stech'! – Wart, will der helfe. Teuwels Bock! Will mitn Sten dir's Hern ausschlag, wo nit gleich fort machst. Brust uf!

GENOVEFA. Ach nein, ihr werdet mich nicht ermorden! Ihr seyd so grausam nicht, hab' euch ja nie was zu Leide gethan.

ZWEYTER MÖRDER. All ens! Sind bezahlt, euch umzubringen. – Wollt jetzt still halte oder soll ich euch strengle mit'n Kordel?

GENOVEFA. Ich will ja gedultig halten, wie ihr's begehrt. Hier ist mein Hals.

ERSTER MÖRDER. Noch e Wort, Bruder. Reden beyseit mitsammen.

GENOVEFA. Ach Gott, wie grauenvoll! – Soll's denn hier geschehen? Ich und mein unschuldig Kind! Gott, wie bitter![300]

ZWEYTER MÖRDER. Weg, Hund! – Gleich her, ihr! – Her mit dem Kind zuerst!

GENOVEFA. Bringt mich lieber zuerst um.

ZWEYTER MÖRDER will eben aushohlen, Adam schießt ihn. Schwernoth, wer hots thon? – Verfluchter! Wüthiger! 'n Pfeil im Arm.


Adam hervor.


ADAM. Ich bin's, Spitzbuben! Auch einer für dich!

ERSTER MÖRDER. Höll! Teuwel! Og ich?

MARGRETHE schlägt von hinten den Zweyten zusammen, er läßt Genovefa fahren.

MARGRETHE. Für dich, Hund![301]

ZWEYTER MÖRDER. All Teuwel! Faßt das Kind, springt hintern Baum.

ADAM. Kommt nur!

ERSTER MÖRDER. Soll dir's der Teuwel salze! Weist das Messer.

ADAM. Herüber auf unsre Seite, Gräfin!

GENOVEFA. Mein Kind! Er hat mein Kind!

ADAM. Thu' dort dem Kinde kein Leids oder du bist verlohren! Ihr seht's, daß ich euch gewachsen bin. Gebt das Kind wieder der Mutter zurück, unversehrt, nehmt hier diesen ledernen Beutel, fünf baare Goldgulden sind drin an Silbermünze; geht eure Straße, und laßt die frey.

ERSTER MÖRDER. Was sagst du zu, Brur?[302]

ZWEYTER MÖRDER. Ist's ag so drin?

ADAM. Zähl's selbst.

ERSTER MÖRDER. Brur, is der so?

ZWEYTER MÖRDER. Könnens nit drum, verlier zu vil, di im Schloß drobe hon uns mehr versproch, wenn mer umbring.

ADAM. Der Blutlohn von denen auf dem Schloß soll euch doch noch werden; die Gräfin geht mit ihrem Kinde weit fort von hier, wo sie von nun an keine Seele mehr sieht.

ERSTER MÖRDER. Nur so lang bis mer wohl's Geld hon, dernoch schern mer uns nit mer drum. – Brur, bins zufride is ehrlich.[303]

ZWEYTER MÖRDER. Hon aber die Og' un Zung' versproch mitzubring'?

ADAM. Auch dafür soll Rath geschafft werden. Hab' daheim ein Lamm geschlachtet, könnt davon Augen und Zunge nehmen, werden's droben nicht so genau examiniren.

ZWEYTER MÖRDER. Nehmts hin! Nu, könnt ihr mer nicks weiters vorn Brandwein gen?

GENOVEFA. Habe nichts als mein Gebet für eure Bekehrung zum Himmel.

ZWEYTER MÖRDER. Hätt di Brüh. Kann selbst bethe. Brur, loß der de Ring vum Finger gebe.

ERSTER MÖRDER. Is der ins Flesch gewachs.[304]

ZWEYTER MÖRDER. Schneid de Finger ab, Hund.

ADAM. Zurück, ihr, jetzt, es wird bald Tag, damit uns Niemand hier wahrnimmt. Jäger und Schützen kommen früh durch den Wald herauf.

ERSTER MÖRDER. Gehn mer.

ZWEYTER MÖRDER. Du Hund, host de Ring hinne loß. – Will dich nächster Tag umbring, daß dei schlecht Camradschaft los werr. Di Kleder verspiel mer og, do mer di lebe loß.

ERSTER MÖRDER. Vielfroß, hon mer ag Geld vor.

ZWEYTER MÖRDER. 'n Wort! Loß den en weng vor, will ihm vun hinne ens ins Gnick gen. Können en og ausziehn, hot schwere Krempen am Wams.[305]

ERSTER MÖRDER. Kannst's thun. Ab.

ADAM. Adjes, theure Gräfin! Muß dicht hinter jenen drein, damit sie nicht umbeugen und euch von Neuem einhohlen. Entfernt euch in die Tiefe des Waldes, so lange bis wir sichre Freystatt ausgemacht; irgend ein Kloster. In meiner Hütte ist nicht zu trauen.

ERSTER MÖRDER zurück. Edel Frau, daß ihr ja nit heimkehrt, sunst gen mer euch ke Pardon. Ab.

GENOVEFA. Will nicht einmahl mehr zurück schauen, geschweige zurückkehren.

ADAM. Zu Gott. Diese Nacht komm' ich mit Essen und Trinken wieder in Wald heraus und such' euch auf; haltet euch um die drey Weyer herum, nah am Entenfang, im Gebüsch; geht ja nicht hervor, bis ich euch mit Singen und Pfeifen mein Zeichen gegeben, woran ihr mich kennt. – Begleit' sie bis dorthin, Weib,[306] mach' aber, daß du vor Mittag wieder daheim bist; es muß alles äusserst still gehalten werden. Ab.

MARGRETHE. Das Morgenroth geht auf, laßt uns davon, liebe Gräfin.

GENOVEFA. So flieh' ich denn mit meinem Unmündigen, verstoßen und Ehren beraubt, dem Tode nah, fern meines Gemahls friedlicher Wohnung, und suche in Wildnissen meinen Trost. O Gott!

MARGRETHE. Vertraut, Theure! Vor Abend wird's nicht Nacht, so lange wir leben, grünt auch Hoffnung.

GENOVEFA. Für mich keine Hoffnung mehr. Ab.


Quelle:
Friedrich Müller (Maler Müller): Werke. Heidelberg 1811, S. 297-307.
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