Dritte Scene.

[235] Dunkler Wald. Nacht.

Carl allein im Finstern.


CARL. Hopp! Hopp!

IM WALD. Hopp!

CARL. Hast noch nichts, Feuer oder Licht, erblickt?

IM WALD. Kann nirgend durch, ist abscheulich dunkel.

CARL. Steige einen Baum hinauf, sieh, ob du nirgend was, nah oder fern, erblickst. Schrecklich dichte Finsterniß! Sind weit ab irr geritten; sollten gen Mitternacht und zogen tief gen Morgen. – Was raschelt im Genist? Da! Sa sa! Muß immer gefaßt auf Bär und Wolf – hui! – Es stöhnt um mich herum, stöhnt wie ein Mensch, Arm, Gesicht, warm ... am Baum hangend. Wer bist? Ha! Lebst? Kannst noch reden?


[236] Christine am Baum gebunden.


CHRISTINE. O wenn du ein Christ bist und kein Mörder – bethest du Gott an, erbarme dich mein, hilf zum Leben, schneid' los.

CARL. Wie kann ich? Sag, 's ist dunkel, wie bist gebunden am Baum?

CHRISTINE. An Händ' und Haaren. Hier!

CARL schneidet los. Fall' nicht.

CHRISTINE. Hilf mir Schwachen.

CARL. Stütz' her, so so, auf meine Schulter. Deine Sprache ist Pfälzisch; bist eine Pfälzerin?[237]

CHRISTINE. Bin von Kreuznach an der Noh bürtig.

CARL. Deine Stimme dünkt mir bekannt.

CHRISTINE. O Gott, ihr seyd der junge Graf Carl, seyd ihr's nicht?

CARL. Bin's; wo kennst mich? Wer bist du?

CHRISTINE. Mathildens Dienerin.

CARL. Und wie kommst du hieher?

CHRISTINE. Mörder überfielen mich, als ich von Disibodenberg nach meiner Heimath wollte, schleppten mich weit durch den Sohnwald her, ließen mich endlich nach aller[238] Beraubung und Gewalt so am Baum gebunden, damit ich vor Hunger sterben, oder von wilden Thieren gefressen werden sollte.

CARL. Arme, du dauerst mich, sitz' derweile auf einen Strunk nieder; ich habe meine Knechte herum geschickt, ob sie irgendwo Auskunft aus diesem wilden Walde fänden. – Du sollst wohl kürzlich in Pfälzel gewesen seyn, Mathilde hält sich dort auf.

CHRISTINE. Ja wohl. Aber, ach Gott, wie sieht's jetzt dort aus!

CARL. Warum seufzest du so, da du von Pfälzel sprichst?

CHRISTINE. Habt ihr denn noch nichts von dem vernommen, was jetzt so landkundig ist? Was der Zeit von Siegfrieds Abreise mit dessen frommen tugendsamen Gemahlin sich zugetragen?

CARL. Nichts. Was ist's?[239]

CHRISTINE. Die arme Dame sitzt trübselig im Kerker gefangen. Wer weiß, ob sie jetzt noch lebt.

CARL. Genovefa gefangen? Warum?

CHRISTINE. Sie wird von Golo als eine Ehebrecherin verlästert, von Golo und Mathilde, die suchen Beyde jetzt mit Gewalt ihren Untergang.

IM WALD. Feuer! Feuer! Hieher, Ritter Carl! Gut Feuer und trocknes bequemes Mooslager zum Ausruhn, Hirten oder Jäger haben's wohl zubereitet.

CARL. Führ' die Pferde hin.

IM WALD. Sind schon da.[240]

CARL. Stütz' dich auf meinen Arm, das Herz schlägt dir gewaltig im Busen von wegen, was du mir erzählt; lass' mich's drin beym Feuer doch aushören.

CHRISTINE. Wird euch gewiß Thränen haufenweis über eure Wangen jagen. Ab.


Quelle:
Friedrich Müller (Maler Müller): Werke. Heidelberg 1811, S. 235-241.
Lizenz:
Kategorien: