Siebente Scene.

[258] Rittersaal im Schloß.

Golo, Mathilde.


GOLO auf und ab. Der Ritterrath vorbey. Carl hat mich also zum Zweykampf herausgefodert?

MATHILDE. Verdammt!

GOLO. Genovefa schuldig erkannt, verurtheilt, hm!

MATHILDE vor sich. Ich muß ihn immer zurecht lenken, sonst bricht er mir alle Augenblicke durch; diese Auftritte spannen seine Imagination zu sehr, in solch einem Moment von Aussersichseyn möcht' er uns beyde gar leicht zu Grunde richten. – Holla, Ritter, warum so sinnend? Haben wir etwa fallirt, daß ihr so bankrutt da steht und den Verlust über euer Vermögen zu zahlen berechnet? Haben noch Baares und auch Credit. Pfui! Hinter seinem abgesteckten Plane kleben ist Schwachheit;[259] besser ein Ding nie angefangen, als nachher schlecht geendet.

GOLO. Für was das All'? Thu' ich ohnehin nicht schon, was ich kann und soll?

MATHILDE. Was du kannst, vielleicht, aber lange nicht was du sollst. Ha, mit euern Phantasieen schwebt ihr Leutchen immer hoch droben, im Auffassen seyd ihr sehr kühn, man möchte euch Anfangs gern Zaum und Gebiß anlegen und immer zu schreyn: haltet ein, nicht zu hoch hinauf gesteckt: das Ziel! Da ist nichts unmöglich, nichts zu schwer, was euer guter Wille nicht gleich thunlich fände; von jeder Hecke pflückt ihr Gelegenheit und Mittel. Aber, sieh da, wenn nun das Eisen warm ist und es zum Schmieden geht, erseufzt man über die Arbeit und Last. Für was nun all' die Unruh, die du durch Mienen und Gebehrden beständig von dir gibst? Alle diese magern, stundenlangen Seufzer? Sind wir jetzt einmal im Wasser so weit hinein, durchgewatet frisch, oder von den Wellen sich niederreißen gelassen und auch keine weitre Nachfrage mehr! Aber immer so zwischen Wollen und Nichtwollen, Verlangen und Furcht sich wie ein Dieb durch die Nacht hinbergend ...[260] Haben wir nicht Alles jetzt? Und noch Brief und Siegel oben drauf, die sie einstimmig zum Tode verdammen?

GOLO. Wer hat die?

MATHILDE. Träumst du? Was brachte Steffen von Siegfried aus dem Lager mit?

GOLO. Er selbst hat ihr Todesurtheil unterschrieben? Er selbst? Oh, ist's möglich?

MATHILDE. Ja, er selbst.

GOLO. Grausam doch; ach Himmel! So sollst du denn sinken? Sollst dahin?

MATHILDE. Sie will nun mit Gewalt zu Boden: wer kann's eihalten? Haben wir nicht alles Mögliche zu ihrer[261] Rettung angewandt? Dennoch trotzt sie fest. Was hast du selbst nicht schon gethan? Golo trocknet sich die Stirn. Jetzt stärkt Carls Ankunft ihren Eigensinn auf's Neue; und im Grunde ist's auch all' Eins für dich, lebendig oder todt; kommt Siegfried zurück, bleibt sie auch leben, so wie sie dich verabscheut ...

GOLO. Gräme mich ja nicht weiters um sie; weg denn! Heraus aus diesem Herzen, Ungeheuer, du sollst mich nicht länger ... will dich nicht länger hier dulten! Laßt sie verhungern, ich frage nicht weiter, ich! Müßt' ich selbst darüber weg, verlösche auch mein Stern in des Todes Nacht ... so grausam, wie sie ist, so unempfindlich, so unbarmherzig!

MATHILDE. Wärst du so ein elender ritterlicher Schmachtlappen, so ein gemeiner alltäglicher Strohjunker, ein Lumpencavalier, wie's deren nun Viele giebt, sollt' es mich nicht von ihr verdrießen.

GOLO. Nicht weiter! O laß! Was liegt mir dran an Allem, was sie so himmlich schätzenswerth gemacht? Und hätte sie mich auch nicht lieben können? Und ach,[262] was hätte sie's gekostet, mich vom Tode zu erlösen? Nichts! Nur niederträcht'ger Stolz, nur Labung an meiner Qual, nur Freude, mich elend zu sehn! Um eine Grille eines Menschen Leben zerstört. Giftige, verfluchte Schönheit! O tausendmahl die Stunde verflucht, da ich dich zum erstenmahl sah! Wo bist du, Tod? Komm, brech' über mich herein, entreiß' mich ihren falschen Klauen! Oh! Oh! Wo will ich ... Verzweifle sie denn auch in der letzten bittersten Minute, zerknirsche sie einst auch ohne Gnade so ängstlich, wie mich's hier spannt! Meint.

MATHILDE vor sich. Wie er mich jammert! Es zerschneidet mein Inwendiges. – Armer Golo!

GOLO. Nein, nein, es ist nun vorbey; bedaure mich nicht länger. Wo bin ich hingesunken? Wo ist nun der herrliche Mann, der Ritter Krone, der Stolz des Turniers? Eine Thräne auf seine Bahre! Ich seh' mich fallen und sinken, seh' wie ein Bogenschütz über mein Ziel! Hier war das Letzte. Ach Schicksal! Schicksal! – Voran jetzt in neuen Weg! Inwendig Trompetenstoß.[263]

MATHILDE. Das Signal! Die Stunde zum Zweykampfe da, die Ritter schon herauf. Golo, wie ist dir? Golo!

GOLO.

Mein Grab sey unter Weiden

Am stillen dunkeln Bach!

Dort will ich liegen unter einem Weidenbusch. Hörst du's?

MATHILDE. Ich halt's nicht aus. – Golo, ermanne dich! Ich will den Kampf aufheben, auf ein ander mahl. Da sind die Ritter schon.


Ritter treten ein.


GOLO. Gut. Ihr Herrn kommt, dem Kampf beyzuwohnen; ihr seyd mir willkommen. Füllt die Gläser! Ihr dort, laßt noch eins herumgehn, bevor sich Alle versammelt.


[264] Andre Ritter, Adolf, Carl bewaffnet.


GOLO vor sich. Da kommt er. Sonst mein Jugendgefährte, jetzt stehn wir gegen einander um's Leben, und warum? Ach Genovefa!

CARL. Golo, Gerechtigkeit und Wahrheit wohnen im Himmel; droben schwingen sich beyde herab hoch über Pfälzel zum Ziel. Noch steht's bey dir, Menschenblut zu schonen, bekenne die Wahrheit frey, wasche durch ein rein Geständniß deine Schuld ab.

GOLO. Was sagst du? Ha!

CARL. Bekenn's, daß du ein falscher niederträchtiger Bube, ein Meineidiger, ein doppelter, ja zehnfach doppelter Verräther bist, der Gott und seinen Freund verräth, den ritterlichen Orden schändet, in dessen Verbindung er steht; erkläre dich selbst hier öffentlich vor dieser edeln Gesellschaft als Lügner, Ehrenschänder und falschen Ankläger, unwürdig dieses Ehrenrocks und Wappens, nur mit dem Eisen deiner Mutter, der Schande, gebrandmarkt[265] zu werden verdienend, und fleh' um Gnade, so wollen wir dir etwa verzeihen.

GOLO. Kennst du den Golo nicht mehr, prahlender Laffe? Und wär' auch das, was ich behaupte, nicht wahr und falsch wie Höllennacht, und wäre was du vertheidigst wahr und rein wie der Himmel: sollst du mich doch nicht ertrotzen; beuge meinen Nacken keinem, der mich anfährt, zehnmahl trotz' ich dem, der einmahl mir trotzt! Herbey meine Waffen! Knechte bringen Waffen, Golo waffnet sich im Hintergrunde.

CARL. Ich schmachte bis zum Kampf. Was ich hier unternehme und sprach, geschieht nicht aus eitelm Vertrauen auf meine Waffen, sondern nach reiner Gewißheit meines Herzens, so wie mir Gott die Wahrheit zeigt. Ich halte die Gräfin, meine theure Base, des beschuldigten Verbrechens dreymahl unschuldig; das behaupt' ich mit Blut und Leben, ob ihr sie gleich alle verurtheilt, edle Ritter. Ihr richtet nach Menschenbeweisen und Schwüren, Gott aber schaut in's Innre und richtet das Herz.

ALLE RITTER. Wir haben's gerichtet, wie wir's wissen; Gott schaut in's Verborgne, Menschen schauen's nicht.[266]

CARL. Der Ausschlag meines Kampfes soll's beweisen. Kniet. Herr, rechtfertige die Unschuld, laß fallen, wer sie unterdrückt!

ALLE RITTER knien. Amen! Amen! Laß fallen, wer Unschuld unterdrückt.

CARL. Bin freudig, wie ein junger Adler, der zur Sonne schaut. Steht auf.

ALLE RITTER. Wir richten nach Zeugen und Verhör, wir richten, wie Menschen richten; Herr, hilf der Wahrheit, das Gesetz verurtheilt die Gräfin, keine Blutschuld komme über uns! Stehn auf.

GOLO bewaffnet. Heraus!

CARL. Hinaus, in den Kampf, in's Freye![267]

GOLO. Carl! Carl! Ich bin dir nicht feind im Herzen, ich verzeihe dir's hier, wenn du mein Blut vergießest. Warum mußtest du mich schmähen zu diesem Kampf? Und fällst du unter meiner Klinge – ha! Fort! Laßt anblasen, uns kämpfen, sterben! Hinaus! Ab mit den Rittern.

CARL. Bleibt hier zurück, Vater Adolf; begleitet mich nicht mit hinunter in die Schranken, besänftigt Julchen, sie kam mir von Weitem nach, als ich vorhin über den Schloßplatz herwärts schritt. Da kommt sie. Adjes. Ab.


Julie.


JULIE. Wo mein Carl, Vater, wohin? Ist er schon fort, hinunter in die Schranken? Fort zum Kampf? Wo? Wo?

ADOLF. Bleib', Tochter; dein Bräutigam ist brav, hast Ehre von solchem Bräutigam. Komm mit nach Hause, ich muß dir was Nothwendiges erzählen.[268]

JULIE. Ach Vater, gebt Antwort, ach, sagt mir's doch, wohin er ist? Ist er schon hinunter? Kann ich ihn zuvor nicht noch einmahl sehn, noch einmahl, ehe er in die Schranken reitet? Ach Gott! Ach Gott! Vater!

ADOLF. Kind, verzweifle nicht.

JULIE. Nur noch ein einzig Mahl, ein einzig Mahl!

ADOLF. Sollst ihn bald, nach dem Kampf wieder sehn.

JULIE. Aber wie, Vater, wie wird ihn Julchen sehn?

ADOLF. Vertrau'! Wie kannst du nur Angst haben? Es muß Alles gut gehn, Gott schützt reine Herzen. Trompetenstoß.

JULIE. Hin, Vater! Hört ihr – ach! Hin![269]

ADOLF. Tochter! Tochter! Ab.

MATHILDE unruhig herum. Jetzt preßt mich's von allen Seiten zusammen, Golo zu wehrlos, zu scheu für seinen Vortheil; er wird's verlieren. Carl ein stattlicher Junge. Daß ich's zugegeben, ihn hingelassen! Oh! Doch den Kopf jetzt nicht verloren, geschwind alle meine Pferde gesattelt, Alles fertig zur Reise: schlägt's unrecht aus, dann auf die erste widrige Nachricht aus Pfälzel davon. Ab.


Quelle:
Friedrich Müller (Maler Müller): Werke. Heidelberg 1811, S. 258-270.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Knigge, Adolph Freiherr von

Über den Umgang mit Menschen

Über den Umgang mit Menschen

»Wenn die Regeln des Umgangs nicht bloß Vorschriften einer konventionellen Höflichkeit oder gar einer gefährlichen Politik sein sollen, so müssen sie auf die Lehren von den Pflichten gegründet sein, die wir allen Arten von Menschen schuldig sind, und wiederum von ihnen fordern können. – Das heißt: Ein System, dessen Grundpfeiler Moral und Weltklugheit sind, muss dabei zum Grunde liegen.« Adolph Freiherr von Knigge

276 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon