Dritte Scene.

[337] Schloßhalle.


SIEGFRIED sitzt unter der Pforte. Nein, ich kann sie nie vergessen! Ihr Andenken, ihr Verlust drückt mich immer mehr. Alles erinnert mich an die erste Zeit, da ich sie noch besaß. O Gott, wie glücklich war's!

HEINRICH tritt auf.

SIEGFRIED. Willkommen, Heinrich! Ihr kommt ja von Trier her, wo Mathildens Beylager celebrirt wird; ist's fröhlich dort hergangen? Was bringt ihr guts Neues mit? Erzählt mir davon.

HEINRICH. Wenig Guts. Als ich vorgestern Nachts abritt, war Alles noch in Floribus, aber heut ist eine Hiobspost hier eingelaufen. Gestern in der Brautnacht ist in Mathildens Schloß zu Trier Feuer angelegt worden, so daß es mit allen Möbeln bis auf'n Stumpfen abgebrannt, der Herzog hat sich kaum salviren können.[338] Mathilde befindet sich sehr unpaß, vermuthlich aus Alteration, und hat sich schnell nach Rautenburg retirirt.

SIEGFRIED. In Wahrheit, schlimme Nachricht; in der Brautnacht just! Wie geschah's? Weiß man nicht, wer's angelegt?

HEINRICH. Nein, man weiß hiervon nichts Sichres.

SIEGFRIED. Ihr habt vermuthlich auch Golo'n beym Fest drüben gesehn?

HEINRICH. Er war nicht dort zugegen, so höflich ihn auch der Herzog selbst hin eingeladen.

SIEGFRIED. Der Herzog erklärt ihn zu seinem Erben und er kommt nicht 'mahl zur Hochzeit hinüber? Was hat er denn für Entschuldigung?[339]

HEINRICH. Keine; sein Humor, daß es ihm eben nicht Spaß mache, dabey zu seyn, dergleichen Lappereyen mehr. Man trägt sich in der Gegend umher mit den wunderlichsten Geschichten von ihm, er soll manchmahl ganz wie vor den Kopf geschlagen seyn.

SIEGFRIED. Hör' es auch.

HEINRICH. Reitet wie ein Unsinniger im Land herum, Kreuz und die Queer, kehrt öfters in acht Tagen, wie mich's glaubwürdige Leute versichert, nicht heim unter Dach, sondern verliegt draussen im Wald in Wind und Wetter und passirt die Zeit mit Jagen.

SIEGFRIED. Hm!

HEINRICH. Ohnbezweifelt wissen eure Herrlichkeit doch den letzten Streich mit dem Abt von Sanct Gallen?

SIEGFRIED. Wieder was Neues?[340]

HEINRICH. Ah, das ist infam. Da zog der Abt von Sanct Gallen, ein braver ehrlicher Herr, mit fünf seiner Knechte durch den Wald dahin, dacht' an nichts Uebles, und auf einmahl läßt sie Golo umringen und fangen, und ohne weiter Recht und Urtheil niederlegen und alle die Knechte schwarz und blau prügeln, daß der Abt zusehn muß. Der Teufel auch, zu arg! Und das bloß allein deswegen, weil sie mit grünen Hüten durch seinen Forst geritten.

SIEGFRIED. Wunderbar! Hab's schon oft gehört, grüne Hüte sind ihm ganz zuwider.

HEINRICH. Verflucht wüthig, wo er nur einen erblickt! Ha ha ha! Grün ist ordentlich ein Herausforderungszeichen für ihn, geht auf Alle los, die Grün haben.

SIEGFRIED. Sehr wunderbar, Jäger lieben sonst das Grün.

HEINRICH. Eine besondre Ursache! Grün ist sonst eine den Augen wohlthätige Farbe; ob's im Bau seiner Augensphären,[341] irgend im Schliff ... ob die etwa zu platt oder hoch gewölbt, so daß der inwendige Spiegel die Strahlen zu gedrängt faßt ... hm ... Zuckt die Achsel. Irgend so was.

SIEGFRIED. Hätt' ich doch nur über Manches mehr sichre Auskunft! Ich habe schon zehnmahl seitdem Genovefens Verhör gelesen. Ich weiß nicht, diese Aufführung des Golo, sonst noch so Vielerley, das für sie spricht ... Mir steigen oft Traumbilder vor die Seele, als wäre meine Gemahlin gewiß unschuldig gestorben.

HEINRICH. Schon gut das; Träume rühren aber gemeiniglich von der Verdauung her, je nachdem ... die heilige Schrift zwar ...

SIEGFRIED. Unruhig macht mich's oft, daß ich mir kaum drüber zu helfen weiß.

HEINRICH. Es muß natürlich daraus folgen, man sieht's eurer Herrlichkeit auch sehr wohl an, daß sie sich abzehren,[342] das Fleisch fällt von Tag zu Tag mehr weg; meine Schuldigkeit ist's, euch grade deswegen zuzusprechen. Die Doctores von Trier, die Gnaden mit mir consultiren, bathen mich schon oft drum, und wie ich sage, die eigentliche wahre Usach ist's, warum ich jetzt aufwarte. Begreiflich ist's, sonnenklar, daß alle leiblichen Mittel vergebens sind und weiter nicht anschlagen, wenn die Seele krank ist; diese aber zu curiren ist wohl ganz des Patienten eigne Sache. Muntert euch derowegen was Mehreres auf und beliebt zu überlegen, daß ihr eigentlich nicht um euch selbst willen ganz allein, sondern vielmehr, denk' ich, zum Wohl des ganzen Landes geschaffen seyd. Das Land für sich genommen ist eigentlich, von welcher Seite man es auch immer ansieht, ohnläugbar ein Corpus, das Haupt davon seyd ihr selbst; mich dünkt, der Vergleich ist richtig. Wenn ihr nun als das Haupt euch beständig solcher Schwermuth überlaßt, so wird auch nach und nach diese Krankheit, sag' ich, durch die Canäle der Landesverwaltung, die gleichsam die cirkulirenden Adern des Landkörpers sind – mich dünkt, das Gleichniß ist sehr richtig – Körpers sind, – nach und nach sich zu den übrigen Theilen verbreiten und eine allgemeine Dissolution nach sich ziehn; das kann nicht fehlen.

SIEGFRIED. Ihr habt Recht.[343]

HEINRICH. Das weiß ich, ha ha ha! Wenigstens ist's gerade die Sache, wo unser einer auch am Besten verstehn sollte; doch das ist weiter die Frage hier nicht. Die Rede ist, was eigentlich gut und heilsam für eure jetzigen Gesundheitsumstände wäre; ha ha ha! Da sollten Gnaden von selbst ein Bißchen voran rücken. Was Henkers! Sonst schieben wir uns alle von hinten vergebens aus dem Athem. Ein Fürst muß sich über Nebenkleinigkeiten ganz emporheben; was Leute von gemeinem Rang lachen oder weinen macht, sind ihm, wie gesagt, Kleinigkeiten, die sich in Betrachtung des Ganzen, darauf er beständig sein Augenmerk hat, in ein Nichts verlieren. Ein und andre Beyspiele in der Geschichte ....

SIEGFRIED. Ein andermahl mehr davon. Dort kommt ja eben mein lieber Baumeister.

HEINRICH. Des Kirchhaus wegen hätte ohnmaßgeblich auch noch Eins und das Andre zu erinnern. Wie wollten's eure Gnaden wohl einrichten? Gnaden haben schon so vielerley Plane machen lassen. Es ist gut und schön, wenn man eine Sache, die auf lange Dauer und gleichsam[344] für die Zukunft bestimmt ist, wenn man die, sag' ich, zuvor auch bedächtlich überlegt, um auf alle Fälle das Beste zu wählen. Ich würde zum Exempel hinten einen schönen runden Chor anlegen lassen, hell und geräumig, rund um bemahlt mit einer oder der andern Geschichte, etwa so aus dem alten Testament, wie David vor der Bundeslade tanzte, oder Jephta ....

SIEGFRIED. Laßt mir doch meine eignen Gedanken, ich weiß schon, wie ich's haben will.

ERWIN tritt auf.

SIEGFRIED. Hört ihr's, Heinrich, nächstens ist Huberti, will dann wieder 'mahl der Jagd beywohnen; schreibt es an meine Vettern Bernhard und Ulrich, daß sie doch herüber kommen und Alles hier zur Jagd einrichten nach altem Gebrauch. Ihr müßt weiters noch Einladungen an alle unsre Verwandten und Freunde schicken, ich will euch die Liste geben. Es soll glänzend werden, will dieß Jahr dann wieder 'mahl im Walde erscheinen.

HEINRICH. Wohlgethan! Dieser Vorsatz wird gewiß jedermann erfreuen, wer's nur hört und vernimmt.[345]

SIEGFRIED. Daß ihr's ja nicht vergeßt, Golo'n einzuladen.

HEINRICH. Der wird aber wohl nicht kommen. Euer Vetter Bernhard hat ihm öffentlich den Tod geschworen und ihm zweymahl an der Ellerbach aufgelauert; hätten Golo'n Schäfer, die dort herum gehüthet, nicht verwarnt, er wäre schnurstracks in die Falle gerannt.

SIEGFRIED. Ladet ihn ein. Kommt er, so soll er hier sicher seyn, Niemand ihn antasten.

HEINRICH. Werde Alles auf's Beste besorgen. Empfehle mich. Ab.

SIEGFRIED. Mengen einem immer Kleyen unter's Mehl. – Komm näher, Erwin, du meiner Seele Vertrauter! Bey dir allein find' ich Trost, den ich sonst nirgendwo finde. Hast du deinen Plan jetzt fertig?[346]

DER JUNGE ERWIN. Plan und Aufzüge hier, wie Gott mir's gezeigt; wie's der Morgenröthe meines Herzens entglomm.

SIEGFRIED. O Morgenröthe am schönsten Tage! Glückselig, wem Gott so ruft zu Werken der Liebe. Laß sehen, junger Künstler.

ERWIN. Der Grundriß hier in Gestalt eines Kreuzes.

SIEGFRIED. Nun ja, in Gestalt eines Kreuzes! So muß es auch. In Gestalt eines Kreuzes; es bildet meinen Schmerz nach, ach ja. Laß mich sehn die Aufzüge von aussen. – Erwin schlägt mehrere Risse auf. So, da hab' ich's! So stack's in mir. So was Hohes, Herzerhebendes, wie Wehn im Baum des Lebens.

ERWIN. Wie Wehn im Baum des Lebens. – Für euch mag ich gern bauen, Graf, ihr fühlt's.[347]

SIEGFRIED. O, wie hast du es funden, Trauter?

ERWIN. In der Mitternachtsstunde, beym Sternenklang, in der Stunde der Weihe ...

SIEGFRIED. Hochgelobt!

ERWIN. Ist's meiner Seele vorüber gangen im Traum und ich hab' das Werk gesetzt.

SIEGFRIED. O glückselig!

ERWIN. Nicht nach Uebung und Regel, dem Herzen nach, wie Gott mir's gezeigt.

SIEGFRIED. Glückselig bist du gebohren. Küßt ihn an die Stirn. Auferweckt dich hat Gott zu seinem Heiligthum. Mein[348] Trost lehnt auf dir, gesegnet mir tausendmahl. Zeig' mir doch Alles. Dieß die Vorderseite des Münsters, nicht wahr?

ERWIN. Ja.

SIEGFRIED. So hoch und hehr auf, wie Orgelton im heiligen Gesang!

ERWIN. Damit man es schaue, der Baumeister habe Gott gedacht.

SIEGFRIED. Prophet bist du, Gottes Namen verkündigst du in deinen Werken.

ERWIN. Prophet bin ich, zu halten fest, zu trauen fest, zu schaffen rein, wie er's mir zeit. Seht, in der Mitte hier im Giebel steht diese künstliche Uhr, der Hahn kräht oben drauf die Viertel, die Zeit dreht den Zeiger,[349] der Tod schlägt an; rund herum gehn die zwölf Apostel und über des Giebels Spitze erhebt sich Jesus Christus, der von den Todten aufersteht.

SIEGFRIED trocknet sich die Augen. Soll Alles so werden, ja, Alles so und nicht anders. Laß mich nun auch das Inwendige schauen. Hast du die Orgel so angebracht, wie ich's wünschte?

ERWIN. Carls und Genovefa's Grabmahl gegen über.

SIEGFRIED. Laß sehn das Grabmahl.

ERWIN. Hier ihre Bahre, worauf oben über der Garbe eine Sichel ruht, unten am Fuß stehn Nelken und Hyacinthen, ihre Lieblingsblumen, an deren Stengel eine Schlange nagt. Hier unten steht ihr Name und Geschlecht in schwarzer Schrift in weißem Felde, und oben drüber mit goldnen Buchstaben: Jesus nimmt uns Sünder an.[350]

SIEGFRIED verbirgt sein Angesicht. Oh ja! – Ich habe ihre Gebeine bisher noch nicht gefunden; ach! Bringe Alles so an, wie es dein Sinn mag, so kostbar als es seyn kann, spare nichts. Die Welt mag mich drum schelten, dennoch schelt' ich Genovefen nicht. Ich hab' sie treu gekannt, zu ihrem Andenken allein will ich diese Kirch' erbauen. Was kann ich geringer? Ist sie schuldig, so steht sie vor Gottes Gericht; wäre sie unschuldig, o wie wenig dann das Alles!

ERWIN. Ich liebe euch, edler Graf, ehre euer Herz. Erwin sagt's nicht dem Größten, wenn er nicht edel denkt.

SIEGFRIED küßt ihn an die Stirn. Glückselig, die dich zur Welt gebracht! In dir liegt ein Schatz, reicher als in Goldminen: freyer ächter Sinn und ein fühlendes Herz. Du bist meiner Seele Trost, bey dir kann ich Mensch seyn und weinen, du verstehst mich, Andre verstehn mich nicht. – Hin dann in Gottes Namen, säume auch jetzt nicht länger am Werk. Ich habe meinen Schaffnern schon Befehl ertheilt, dir die verlangte Summe an Gold, Korn und Wein monatlich reiche zu lassen. Bescheide Steinhauer aus Strasburg hieher, wie du sie brauchst,[351] stich heute noch den Platz ab, ich werde den Grundstein mit eignen Händen legen, werde künftig dein untergebner Mitarbeiter an diesem Baue seyn.

ERWIN. Graf, lebt wohl! Ab.

SIEGFRIED. Will denn bauen, mir zur Ruhe; will Steinmetz werden, Gott zu Ehren hau'n.


Adolf von Christine geführt.


SIEGFRIED. Es freut mich, Adolf, kommt ihr auch 'mahl wieder zu mir her? Ihr laßt euch so selten sehn.

ADOLF. Hm. Ich habe wieder ein frey Hütchen auf.

SIEGFRIED. Recht, Vater. Ihr werdet doch auch mit auf nächster Hubertusjagd erscheinen?[352]

ADOLF. Weiß nicht wohl.

SIEGFRIED. Ihr seht ja heute recht munter aus.

ADOLF. Ha ha ha! Es ist mir auch heut so, als wenn mir gewiß was Fröhliches käme, es ist mir einmahl wieder so leicht. – Bin schon lange drin im Zimmer; jetzt geht's 'mahl wieder in's Freye. – Uhi! Wie weit sind wir schon im Jahr drin? Dort unten am Wald gelbt sich's. Hubertus? Ja wohl. Haben die Moselbauern dieß Jahr guten Herbst gemacht? Wißt ihr's zu sagen?

SIEGFRIED. Fiel so ziemlich aus.

ADOLF. Was macht denn Graf Siegfried drin? Befindet er sich noch wohl?[353]

SIEGFRIED. Kennt mich nicht, seine Sinne nehmen täglich mehr ab. – Lieber Vater Adolf, schaut mich einmal recht an.

ADOLF. Habt eine Linse auf der Nase; aber mich gehn andrer Leute Dinge nicht an. Ach wenn ich's doch nur wüßte, wo meine Tochter wäre! Kein Kloster in der Welt, wohin ich nicht schon ihretwegen gesandt; aber mir ist's doch wieder so wohl; meyne, krieg' heut noch von meiner Tochter Nachricht.

SIEGFRIED. Es käme erwünscht.

ADOLF. Nachricht von meiner Tochter oder mein letztes Stündlein ist vorhanden.

SIEGFRIED. Herein mit, lieber Vater, es wird kühl gegen Abend. Das bischen Sonne hat jetzt nicht lange Kraft.[354]

ADOLF. Ja wohl, leider.

SIEGFRIED. Kommt.

ADOLF. Herr, ich brauch' euch nicht, geht nur eures Pfades; mag keine neue Bekanntschaft. Geht eures Wegs, sag' ich, geht, ihr thut mir einen großen Gefallen, geht, geht. Siegfried ab. Ich will hier auf dem Stein warten. Hinein, du, frag' nach, was Graf Siegfried macht, sag' ihm, ich werd' ihn bald 'mahl wieder besuchen.

CHRISTINE. Ich habe schon nachgefragt, er befindet sich ganz wohl, läßt euch grüßen.

ADOLF. So? – Schuck, schuck! Mich friert.

CHRISTINE. Kommt heim, der Tag neigt sich bald.[355]

ADOLF. Ich muß hier warten. Guck' 'mahl selbst, fallen nicht schon alle Blätter dort? Der Wind schüttelt sie herunter. Die Zwetschen und die Aepfel stehen leider schon ganz nackend, Kirschen und Birnen haben noch wenig stolze hochrothe Kleider an, wird aber auch halb vorbey seyn. Rauh und stöbrisch, Mädchen, ist der Wintermann; wer 'nen warmen Pelz hat, wickle sich jetzt ein; schuck, schuck! Die armen Schäflein dort oben, wie die am Fels hinklimmen, ihr Bißchen Nahrung zu zwacken; wer wird's ihnen suchen, wenn jetzt der rauhe Winter einbricht und Schneeflocken die Erde verstecken?

CHRISTINE. Lieber Herr, dann werden sie in Ställen gefüttert.

ADOLF. Meine Tochter geht jetzt über Berg und Thal; wenn ihr der scharfe Wind in's Gesicht braust! Warum sie denn nicht lieber bey mir einkehrt?

CHRISTINE. Sie kehrt bald ein, gewiß; ihr werdet sie bald sehn.[356]

ADOLF. Meynst du? – Sieh einmahl, dort kommt sie schon her.

CHRISTINE. Wo?

ADOLF. Dort! Dort hinter den Bäumen herauf.

CHRISTINE. Zwey Pilger. Sie haben vielleicht Kundschaft von eurer Tochter; soll ich ihnen entgegen und fragen?

ADOLF. Nicht doch, bleib! Wirst sehn, ob sie mich nicht aufsuchen.


Julie, Anne.


JULIE. So weit meine Kraft; jetzt lassen alle Bande auf einmahl nach. – Herr Gott, wiederum in Pfälzel! Stützt sich auf den Stab. Dort unten, Annchen, der Kirchhof, wo er ruht.[357]

ADOLF seiner Tochter zu. Ey tausend, tausend Mahl willkommen, herzliebe Tochter!

JULIE. O mein Vater!

ADOLF. Wie hab' ich mich hier schon so sehnlich nach dir umgesehn! Wie lange erwart' ich schon dein hier! Ey, wirst doch endlich einmahl kommen?

JULIE. Da bin ich nun in euern lieben Armen.

ADOLF. Ah, was bringst für gute Nachricht von meiner Tochter? Ist sie noch wohl? Wird sie denn auch bald kommen?

JULIE. Bin ja schon da.[358]

ADOLF. Es wäre mir lieb. Aber bist du's auch gewiß, meine Tochter! Sag's frey, sag' mir's in's Angesicht: bist du mein Julchen?

JULIE. Ja, Vater.

ADOLF. Bist es gewiß?

JULIE. Bin es gewiß.

ADOLF. Nun laßt Alle mit einander hinfahren, alle Uebrigen – frage jetzt nichts weiters. – Weine nicht, weine nicht, die Zeit ist nahe, bald anbricht der große Aerndtetag; jeder dann gesammelt wird, wie er's gefruchtet. Der mit der Sichel scheidet sie zum Feuer hin! Da wird denn meine Schwester kommen und hier dein Carl ihr entgegen und Golo und Genovefa und auch ich und du. Julie weint. Mathilden ist die Herzogsmütze aus der Hand gefallen; sie hat Gift von ihrem Waldbruder geschluckt, hab's von einer[359] Dohl sispern gehört. Es war noch der Rest von Dragones Becher im Gefängniß, der ihr überblieb.

ANNE. Ist's möglich was er sagt? Mathilde –

CHRISTINE. Verhält sich so, Fräulein. Diesen Morgen stand's äusserst schlecht um sie, ihr Zustand ist ohne Hilfe.

JULIE. O Gott!

ADOLF. Wahr muß Alles werden! Aber laß sie nur voran, wollen bald ihr nach, du und ich.

ANNE. Mädchen, führe deinen alten Herrn hinein. Komm Julchen, meine Seele!

ADOLF mit Christine ab. Kommt! Kommt! Alle zum Essen in mein Haus! – Herein alle zur Hochzeit![360]

JULIE. Alles dieß drückt mich noch mehr zu Boden. Liebe, noch ehe ich ausruhe, laß Siegfrieden wissen, daß ich hier bin, was Wichtiges für ihn habe, das ich ihm selbst in eigne Hände zustellen muß. Wer weiß, wie lange ich's noch treibe; immer mehr und mehr matt! Will meine Schuld gleich abtragen, je eher je lieber.

ANNE. Es soll geschehn, wie du es verlangst, Herz.


Quelle:
Friedrich Müller (Maler Müller): Werke. Heidelberg 1811, S. 337-361.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Aristophanes

Die Wolken. (Nephelai)

Die Wolken. (Nephelai)

Aristophanes hielt die Wolken für sein gelungenstes Werk und war entsprechend enttäuscht als sie bei den Dionysien des Jahres 423 v. Chr. nur den dritten Platz belegten. Ein Spottstück auf das damals neumodische, vermeintliche Wissen derer, die »die schlechtere Sache zur besseren« machen.

68 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon