Vierte Scene.

[361] Siegfrieds Cabinet.

Siegfried, Christoph.


SIEGFRIED. Ist das gewiß so? Hast du selbst mit Mathildens Leuten gesprochen?

CHRISTOPH. Meiner Seel', Herr, habe Alles genau ausgefragt, wie ihr mir's befohlen. Der nämliche Waldbruder,[361] der ihr Schloß in Trier angezündet, hat ihr auch das Gift gegeben. Man setzt ihm jetzt überall nach.

SIEGFRIED. Großer Gott! Man hat mich's versichert, der nämliche Waldbruder habe auf Mathildens Geheiß Dragones im Kerker mit Gift hingerichtet.

CHRISTOPH. Das wäre verflucht, grauslich!

SIEGFRIED. Wie steht's mit Sandthal? Bist du auch da gewesen?

CHRISTOPH. Ja Herr, Golo läßt euch rückgrüßen, will zur Hubertusjagd erscheinen.

SIEGFRIED. Hat dir's selbst gesagt?

CHRISTOPH. Er selbst. Seine Redensart war eigentlich: und wenn heute noch zwanzig Schlösser meiner Mutter zum[362] Teufel in die Luft brennten, will ich morgen doch nach Pfälzel hinüber und zur Hubertusjagd erscheinen.

SIEGFRIED. Ha! – Weiß er denn auch seiner Mutter gefährlichen Zustand?

CHRISTOPH. Freylich weiß er's. Er lachte laut, da man ihm diese Neuigkeit brachte, schalt den Waldbruder einen dummen Teufel, daß er durchging, ohne seiner nützlichen Arbeit wegen Rechnung einzugeben, für so was Gutes sich bezahlen zu lassen.

SIEGFRIED. Gott! Ist's möglich!

CHRISTOPH. Herr, meiner Seel', Alles so.

SIEGFRIED. Geht nur wieder. Vetter Ulrich und Bernhard werden in Kurzem hier eintreffen, bereitet ihre Zimmer. Sobald sie ankommen, führt sie gleich herüber zu mir. Christoph ab. Du kommst, Golo. Hab' ich nicht[363] gerechte Ursach, dir zu mißtraun? Wie wendet sich's nach und nach! Ha wenn's so wäre! Unschuldig Blut so schnöde zur Erde vergossen! O wo wollt' ich mich hin verbergen? Golo, wo wäre eine Hölle tief genug für dich? – Meine Pflicht ist's, Alles anzuwenden, Alles zu durchdringen. Unschuldig vergossen Blut schreyt zu laut in den Himmel.


Blutrichter.


SIEGFRIED. O was wollt ihr jetzt schon wieder? Es ist noch zu früh.

BLUTRICHTER. Der Monat ist wieder verflossen, wir haben den Prozeß jetzt zum fünften Mahl durchgegangen und untersucht; das hohe Blutgericht bricht einstimmig den Stab über des Delinquenten Leben. Er hat doppelt den Tod verdient; hier ist das Urtheil.

SIEGFRIED. Nun so muß ich's unterschreiben.

BLUTRICHTER. Darauf wart' ich.[364]

SIEGFRIED legt die Feder wieder nieder. Mir zu Liebe laßt es noch etwas anstehn; jetzt bin ich nicht zum Unterschreiben auf so was gefaßt. Seht's der Zeit noch recht nach, vielleicht ....

BLUTRICHTER. Aber vorsätzlicher Mord, eingestanden und bezeugt! Herr, die Gerechtigkeit weint, wenn ihr Vormund zu gelinde ist. Friede und Bruderliebe sind der Gesetze Bürgen; Fürsten sind Väter ihres Volkes, aber auch Richter.

SIEGFRIED. Ach, was ist es schwer, Richter zu seyn! Einmahl ein zu schnelles Urtheil, und o wie drückt es seitdem. Einmahl! – Ich wollte, ich hätte nie Gewalt gehabt, Urtheil zu sprechen. Ein andermahl will ich's unterschreiben, jetzt bin ich verhindert. Seht, da kommen schon meine wackern Vettern.

BLUTRICHTER. So will ich gehn und zu gelegner Stunde wieder kommen. – Gar zu gelind, gar zu gelind, macht das Unrecht üppig; das darf, das soll kein Landesvater seyn. Ab.


[365] Ulrich, Bernhard.


SIEGFRIED. Willkommen, theure Vettern! Seht, ich greife mich 'mahl wieder an. Morgen bey der Jagd seyd ihr die Meister und ordnet Alles nach euerm Gutdünken an. Ich bin jetzt auch euer Untergebner und erwarte von euch draussen meinen Stand. Ich bin schon zu lange ausser Jagdübung, ob mich's gleich gelüstet, wieder einmahl eins mit zu stöbern. Nehmt alle meine Leute zur Hand, macht euch Ehre, Vettern; hoffe, die Compagnie auf morgen soll brav zahlreich seyn.

ULRICH. Wir wollen das Mögliche thun.

BERNHARD. Wo wir was helfen können, sind wir gern bey der Hand, absonderlich euch, wackrer Vetter.

SIEGFRIED. Bernhard, euch glückt es; eure Gemahlin hält sich tapfer im Ehbett, hat euch schon wieder mit einem lieben Jungen erfreut. Habt jetzt schon ein schön Häuschen beysammen! Eure Freude wächst täglich mehr.[366]

BERNHARD. Sie sagen immer, mit Kindern wachsen Sorgen; doch weiß ich bisher nichts davon. Meine freuen mich täglich mehr, so viel ihrer auch sind.

SIEGFRIED. Es werde euch immer so. Glückselig, wen Gott so mit lieb Weib und Kindern gesegnet; mir war das nicht bescheert.

BERNHARD. Solltet wieder 'mahl eins heirathen, Vetter, habt euch lange genug vertrauert.

ULRICH. Meines Bruders Rath ist nicht übel.

SIEGFRIED. Nimmermehr. Hab' Eine besessen, hab' sie verloren – ihr wißt, wie. Für mich ist's weiter vorbey.


Förster, Jägerknechte.


FÖRSTER. Kommen her, Gnaden Befehle zu vernehmen.[367]

SIEGFRIED. Haltet euch morgen frisch und munter. Präsentire euch hier eure zwey Jagdkönige.

FÖRSTER UND JÄGER. Freuen uns herzlich, unter Befehl so braver Jäger zu stehn. Werden das Möglichste thun, unsre Schuldigkeit genau zu vollbringen.


Christoph kommt, spricht zu Siegfried beyseit.


SIEGFRIED. Was sagst du? Adolfs Tochter, die kaum hier angekommen, schon so schlecht?

CHRISTOPH. Will vor dem Ende euch noch was in eigne Hände zustellen, verlangt sehnlichst, daß ihr zu ihr hinkommt.

SIEGFRIED. Den Augenblick! Lauf, sag' es, wolle gleich dort seyn. Christoph ab. Traurige Botschaft! Des alten Mannes Tochter, Julie, erst vor ein Paar Tagen von ihrer langen Wallfahrt hier angekommen und schon wieder nah am Hinscheiden.[368]

ULRICH. O Schade, die Holde, Liebe! Wir wollen sie nachher auch besuchen.

SIEGFRIED. Ich will gleich zu ihr hin. Vettern, mit Erlaubniß. Ihr, Förster und Jäger, begleitet mich, hab' euch unterwegs noch was zu sagen. Ab mit den Uebrigen.

ULRICH. Das arme Kind!

BERNHARD. Was mir's wieder einen Stich giebt, da ich Julien nennen höre! Carl fällt mir wieder ein, der brave Junge, der jetzt fault, indeß sein Mörder lebt! Reißt sich am Bart.

ULRICH. Weißt du es, daß Golo morgen herüber auf die Jagd kommt?

BERNHARD. So unsinnig ist er dir nicht.[369]

ULRICH. Weiß dir's aber ganz gewiß.

BERNHARD. Oho! – Will ihm dann abzahlen, was er so lange bey mir stehn hat! Wenn er mir wieder lebendig heim reitet, so mag er meinetwegen nachher meine ganze Familie – o du Viper! Daß der Junge so brav seyn mußte draussen im Kriege und hier so von einer Viper fiel!

ULRICH. Wirst doch nichts hier auf der Jagd anfangen, wo wir Beyde als Gäste erscheinen?

BERNHARD. Halt's Maul. – Wetter! O es jauchzt in mir um Blut! Wie ein durstiger Luchs bellt's in mir herum, schmerzlich in mir nach seinem Sterben!

ULRICH. Habe dir jüngst was Wunderliches von einem Schäferburschen vernommen; es kommt mir zwar selbst als was Unglaubliches vor, möcht' es aber doch untersuchen:[370] der will eine gewisse Frau kennen, des vorigen Gärtners Wittwe – der Schäfer war damahl ihr Gärtnerjung' und gerad' zu der Zeit in Pfälzel, als sich das all mit der Gräfin zugetragen. –

BERNHARD. Nun, was ist's?

ULRICH. Der behauptet, doch nur so unter der Hand, geheim, Genovefa lebe noch in einem Kloster, jene Frau wisse sicher ihren Aufenthalt.

BERNHARD. Tollheit. Lebt unser Bruder auch noch? Werden sie verschont haben! Man weiß den Ort genau, wo sie umgebracht ward, heißt bis auf die heutige Stunde noch der Gräfin Fels.

ULRICH. Laß uns denn Anstalt machen. Heinrich soll uns die Liste geben, wie zahlreich die Gesellschaft morgen ist. Bruder, mein Rath wäre, du ließest das mit Golo'n bis zu andrer Gelegenheit.[371]

BERNHARD. Das thu' ich nicht! o lange der lebt, bin ich unglücklich Ab.


Quelle:
Friedrich Müller (Maler Müller): Werke. Heidelberg 1811, S. 361-372.
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