Erstes Lied

[30] Schön war der Jüngling von stolzem Sinn,

Sein Roß spornte er an des Königs Seite,

Dessen Waffen trug er,

Beym Lanzenspiel und im blutigen Streite,

Vom Söller herab, erblickte einst Luitberta so

Den Holden, mit purpurrothen Wangen,

Umblizt vom Stahle, kam aus dem Schlachtfelde er froh,

Da ward der Jungfrau Busen in Liebesbanden gefangen.

Das Rehelein, das gestern noch sich in Unschuld gelezt

An der Blumenquelle Rand, stöhnt getroffen jetzt

Vom scharfen Pfeil, der des Jägers Bogen entgangen,

Des Fräuleins zarte Brust

Nähret seitdem peinlicher Liebe Verlangen.


Gedankenvoll gehet sie in ihrem Lustgärtlein umher,

Die Augen öfters schwanger von süßen Zähren,

Nichts ergötzet ihren Sinn, sie seufzet schwer,

Die Blumen wollen ihr

Nicht Trost und Labung mehr gewähren.

Was hilft's, daß ich Erbin bin des Thrones am Rhein,

Klagt, von ihren Zofen entfernt, sie in einsamer Kammer;

Soll er, der vor Allen mir gefällt, mich nicht freyn –

Dieß zermalmet ihr Innres, wie ein schwerer Hammer.

So verzehret sie sich am Tage in Sehnsucht bang und heiß,

Dem Monde erzählt bey Nacht sie ihr herbes Leiden;[30]

Mag die Tochter des Herrschers nicht werden dem Tapfern zum Preis,

Das Schicksal einer Magd

Muß ich, Aermste! dann wahrlich beneiden.

Die Turteltaube sucht im grünen Holze frey,

Nach Gefallen sich aus den lieben Gatten,

Die Hindinn lockt den Liebling ihrer Wahl herbey

Und scherzt mit ihm auf thauigen Matten,

Nur Königstöchter sollen, o herbes Loos! die Hand

Hingeben nach Anderer Verlangen zum Pfand,

Sollen zu bitterster Buße, zu Quaalen,

Mit dem Herzen ihren Stand,

Ach, tausendfältig schwer und bitter bezahlen.


So jammert sie bis der Morgen verschlossen ihr Weh;

Die Schaam hält am Tage ihre Zunge gebunden;

Das Leben schmelzt weg ihr, wie im Frühling der Schnee,

Nichts stillte bey ihr

Des Herzens verborgene Wunden.

Schon seit langem gefiel des Fräuleins Zustand nicht

Der Amme: sie rief jezt voll herzlichem Kummer:

Was mangelt Dir, Liebchen? in Deinem lieben Angesicht

Welken die Röslein, der Augen heiteres Licht

Dämmert, als wolle es

Verlöschen in tödtlichen Schlummer.

Sag' an, was heimlich Dich quälet, mir doch laut.

Nur wenige Zeit noch, dann bist Du eine süße Braut,

Nach einem Jährchen, glaub's Täubchen! und zehn Wochen

Holet ein Dich, erschreck' nur nicht, zartes Lamm!

Holet ein Dich der schmucke Bräutigam,

Dem Dich der König, Dein Herr Vater, hat versprochen.
[31]

Wie eine Flamme schlugs des Fräuleins Gesicht an ganz roth,

Die Blicke hält gerichtet sie nieder zur Erde:

Welche Neuigkeit – hilf Gott uns aus jeglicher Noth! –

Wem befiehlt mein Vater, daß zu eigen ich werde?

Zeige an mir den Namen des Bräutigams schnell! –

Ey gern, sprach die Amme: ein stattlicher Junggesell,

Ich will Dir – doch verschwiegen fein – Alles erzählen:

Deiner Mutter Bruder herrscht, wie bekannt Dir, über'm Meer,

Auf Schottlandes halber Insel, drey Prinzen hat er,

Dem jüngsten, Artur genannt,

Will Dein Herr Vater, der König, Dich vermählen.


Wie ein Lindenzweig, schütteln die Lüfte ihn stark,

Sich beweget, zittern der Jungfrau alle Glieder;

Ihr grauset bey Arturs Namen tief bis ins Mark,

Auf einen Sessel lässet ermattet sie sich nieder:

Was sagst Du, Amme! Prinz Artur sollte mich,

Nach Jahr und Monat schon als Braut heimführen?

Eh' dieß geschieht mögen in gleichem Augenblicke sich

Der Winter und der Sommer berühren;

Eher werden die Fische aus des Meeres salzigem Grund

Durch die Wolken zu den Sternen aufsteigen,

Bevor Prinz Artur mit Willen mich und gesund,

Aus der Jungfrauen Kammer führet als sein eigen.

Einen andern Bräutigam hat bereits erwählet mein Sinn,

Ihm mit Treue sich auf immer zugeschworen,

Zurücknehmen lässt sich nicht, was gegeben man hin,

Drum muß ich folgen dem Herrn, den ich mir erkohren.

Verkaufen will nächstens ich mein Geschmeide, mein Gut,

Den Erlöß unter die Armen austheilen,[32]

Mit dem Pilgerstabe gerüstet und dem Muschelhuth,

Ferne von hier, einem Frauenkloster zueilen;

Dort will in Andacht, bey meiner stillen Gruft,

Nach Nonnenweise ich

Mit alltäglichem Fasten, Beten und Singen,

Bis der Tod zu dem Bräutigam in den Himmel mich ruft,

Mein keusches Leben in der Einsamkeit hinbringen.


Der Amme fast Odem und Stimme entging

Ueber dem, was aus des Fräuleins Mund sie vernommen;

Was heißt das, schluchzet sie, gottloses, herzliebes Ding!

Soll deinetwegen man gar noch von Sinnen kommen?

Was plapperst Du? Hätt' die Rede Dein Herr Vater gehört!

Eine Nonne werden: Du? uns Alle hier auf einmal verlassen?

Den Frieden hätt's ihm wahrlich auf immer gestört,

Vor Kummer müsst' er dann bey grauen Haaren erblassen.

Von sieben Erben bliebst Du, die Jüngste, ihm übrig allein,

Von vier Brüdern und drey Schwestern – sag', ist es fein,

Spitzbübchen! mit Deinem guten Mütterchen so übel zu spaßen?

Alle Hoffnung auf Dir allein jezt nur noch ruht,

Daß schenken Du bald mögest aus Deinem lieben Blut

Ein Enkelchen zum Troste uns, einen Herzensgenossen;

Wer sollte sich drum einfallen lassen solch eine Schmach,

Daß Du quälen einen solltest mit derley Grillen; sag'?

Das Herz abmattend Dir mit solchen Ränken und Possen. –

Das Fräulein neigte ihre Stirne und seufzete: ach!

Doch hielt der Schmerz ihr die blassen Lippen geschlossen.

Quelle:
Friedrich Müller (Maler Müller): Gedichte. Jena 1873, S. 30-33.
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