Allerunterthänigste treugehorsamste Bitte
von

Schullehrer Matthäus Pfiffikus

[224] aus Hundsbruck

an die

wohllöbl. Kreisregierung zu Krähwinkel

um

Abstellung des Mißbrauchs rücksichtlich des Schulbesuchs der Kinder und besonders der Knaben seines Schuldistrikts.


Wohllöbliche Regierung des Kreises!


Es hat mich zwar Euer Hochwohlgeboren in gerechtester Anerkennung meines 6jährigen langweiligen Schuldienstes allergerechtest mit diesem Amte belohnt, und ich würde auch mein passabliges Auskommen mit Weib und Kind finden, wenn nicht die hiesigen Einwohner in dieser Beziehung so sehr den Gesetzen zuwiderhandelten, daß ich meine Zuflucht um Hilfe und Abstellung zur löb-[225] lichen Regierung des Kreises zu nehmen gezwungen bin. Ich unterstehe mich daher, den gegenwärtigen Stand des Schulbesuches allergehorsamst vorzulegen.


  • 1. Der Seifenblasen-Wastl läßt 1 gehen und könnte 2 und 3 gehen lassen.
  • 2. Der Kramer-Natzi läßt 2 gehen, den 3. vertuscht er.
  • 3. Die Fruchtenbäuerin ließ's gehen, aber sie sagt halt, sie braucht's zum Waschtrocknen.
  • 4. Der Binder-Andrädl, der kann seit seiner letzten Krankheit keinen mehr gehen lassen, das weiß man wohl.
  • 5. Der Thanhuber-Seppel läßt einen stillen, recht braven gehen – die sind mir auch die liebsten – allein er sagt halt, er zahl' nichts dafür, sie wär'n bisher immer abgabfrei gewesen.
  • 6. Die untere Kramerin könnt' 3 gehen lassen, allein sie sagt, sie braucht's im Laden, daß das Publikum ordentlich bedient wird.
  • 7. Der obere Wirth, der ließ einen gehen, aber sein Weib will'n aufhalten.
  • 8. Der Spiel-Wastl, der läßt zwar 1 gehen, aber der stinkt schon vor weitem, und steckt mir meine andern an.
  • [226] 9. Der Meßner-Toni läßt 2 gehen, der 3. ist militärpflichtig und kommt demnächst unter die Jäger.
  • 10. Der Spandlhof-Bauer, der könnt' die sein auch fleißiger gehen lassen. Seine Ausrede von des zeitweisen großen Wassers bedeut' nichts, er soll sie nur durchs Wasser gehen lassen; schadet nichts, leiden nichts dabei.
  • 11. Der Boten-Seppel soll den sein nicht so rumschießen lassen in der ganzen Gegend; wenn er einmal einem Förster unter d'Nasen kommt, so schickt'n der krummg'schlossen zur Hofjagd-Intendanz zur weiteren Verfügung! –

So der gegenwärtige Stand des Schulbesuches in meinem Dorfe: – – Und hieraus soll ich meine Nahrung mit Weib und Kind ziehen? – Nicht möglich, wenn's eine löbliche Regierung genau betrachten wolle. Ich bitte daher inständigst Eure Exellenz, hierin doch kräftig mitzuwirken, und vorzüglich die Weiber, die bekanntlich hierin das Meiste zu thun vermögen, gesetzlich anzuhalten. Noch lieber wär es mir freilich, wenn von Seite einer löblichen Regierung eine Kommission hier niedergesetzt würde, welche jeden, den ein Bauer[227] gehen lassen kann und will, zu Protokoll nehmen möchte.

In welcher Hoffnung gütiger Bittes-Erhör ich in Unterthänigkeit verbleibe


Einer löbl. Kreisregierung

gehorsamster


Matthäus Pfiffikus,

Lehrer in Hundsbruck.

Quelle:
D. C. Müller: Gedichte, Aufsätze und Lieder im Geiste Marc. Sturms. Rorschach 1853, S. 224-228.
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