Der Herr Vetter

in

[88] der Universitätsstadt L**.

(Leihhaus-Verwalter daselbst.)


Es is a Haus in L** hier,

A Haus, gor net zon zahl'n

Von M ** bräu glei vis-à-vis,

Ma kannt's net schöner mal'n

Das Haus verdient's, daß i dafür

A etli Verseln dicht;

I hob dem Hansel gor viel Dank,

Drum holt i's für mein Pflicht.[88]

Der Herr, der in selb'm Haus drin is,

Is a charmanter Monn.

I konn's enk sogn, i woas ganz g'wiß,

Sechs Jahr lang kenn i 'n schon.

Wär i beim Landstand wos bekannt

Und hätt' a Wörtl z'sogn,

Der müssat ma in Adelstand

Und 's Ritterkreuzel trog'n.

Wenn oft a so a Musi is

Mit Fackeln bei der Nacht,

So denk i oft, warum ma denn

Dem Monn koan Musi macht.

O meini Herrn! ihm g'hört 's vor all'n;

Do weit i enk mein Leb'n,

Er muß fast allmal d'Fackeln zahln

Und 's Geld zum Ball hergeb'n.

Und hat a G'sellschaft ihre Suite,

Wie dankbar kam's net' raus

Fuhr er in unsrer lieben Mitt'

Nach Geisenhausen 'naus.

Wenn er net war, wo fahrt's denn hin?

No reit's non brav spazier'n!

Der gute Narr muß allemal

Alloan sein Daumen rühr'n.[89]

O Fosinacht! o Fosinacht!

Wi laust schaugast aus;

Wos war dös für a Maskerad',

War net selb' weiße Haus.

Wos werd denn uet aus uns wohl wer'n,

Schließt der sein Ladl zua;

Daß d'Wochen oamnal net is off,

Is dös schon trauri gnua.

Und innahalb, da muß ma 's seg'n,

Wie all's voll Ordnung drob'n;

Mein Ueberrock, mein Frack, mein' Uhr,

Die könna's net gnua lob'n.

Und meini Hemada, die sog'n,

Daß in a Kastn g'leg'n

Von Nußdamholz, af's schönst lackirt,

Ma könnt 's net schöner seg'n,

Mein Bett is's ganzi Jahr hindurch

An koana Sunna g'leg'n;

Wos wollt i thun? 'nauf hob i 's g'schickt,

Itzt aber sollt sis segn!

Itzt schlaf i ja a ganzi Nacht

Wie man sich's wünschen möcht;

Es freut mi non um neun Uhr erst

Das Aufsteh'n no net recht.[90]

An Jeden, den er oanmal sieht,

Mit dem schmollirt er glei,

Und schreibt si in sein Stammbuch 'nein

A Stammblatteln a drei16.

I hob mir a neu's Stammbuch kaft,

I sog's enk halt af Ehr,

Stand er net etli zwölfmal d'rin,

So war mein Stammbuch leer.

Und eigennützi is er net

Zu unserm guten Glück;

Ha du ihm a Presentl g'macht,

Er gibts dir 's wieder z'rück.

Wenn er si in dein Stammbuch schreibt,

So steh: am Blatt'l ob'n:

»Wenn dein Wixage17 di wieder reut,

No kannst es wieder hob'n.«

Wo gibt's denn glei a so an Monn,

Dos sagt's ös mir a mal?

I sog's enk, die san gor dünn g'sat

In unserm Isarthal,[91]

Und grod den G'waltsstudentenfreund,

Den Helfer aus der Noth,

Den ästimirt's so ung'fähr halt

Als wie das liebe Brod.

So längs ös halt a Semmel habt's,

Do wollt's ös net an's Brod;

Wenn's sonst nix habts und hungerts enk,

Do rast's enk schier drum z'todt.

Und so mit'n Herrn Vetter geht's

Halt a wie allemal,

So lang's an baaren Kreuzer habt's,

Seid's grob und seid's brutal.

Doch wenn a Ball oder a Suit

Sein soll und habts koan Geld,

Do schleicht's enk nein ins sel' weiß Haus,

Als wie der Haas ins Feld.

Do hoaßt's: Herr Vetter vorn und hint,

Do bring i dies und das,

I brauchet halt an etli Guld'n,

Was macht denn die Frau Boas?

So aber denk und handl' i net,

Mir is er all'mal werth;

Sein' Frau, sein' Tochter und sein Haus

Sein stets von mir geehrt.[92]

Und laß ich mir oft um sein lieb's Geld

A Schöpperl Elfer geb'n,

No laß i 'n allemal in der Still'

Nebst seiner Anstalt leb'n.

16

Versatzzettel pflegte der Verfasser im Stammbuch aufzubewahren.

17

So viel als Präsent.

Quelle:
D. C. Müller: Gedichte, Aufsätze und Lieder im Geiste Marc. Sturms. Rorschach 1853, S. 88-93.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Lohenstein, Daniel Casper von

Epicharis. Trauer-Spiel

Epicharis. Trauer-Spiel

Epicharis ist eine freigelassene Sklavin, die von den Attentatsplänen auf Kaiser Nero wusste. Sie wird gefasst und soll unter der Folter die Namen der Täter nennen. Sie widersteht und tötet sich selbst. Nach Agrippina das zweite Nero-Drama des Autors.

162 Seiten, 8.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon