Gebet in der Christnacht

[25] O Liebe, die am Kreuze rang,

O Liebe, die den Tod bezwang

Für alle Menschenkinder,

Gedenk' in dieser sel'gen Nacht,

Die dich zu uns herabgebracht,

Der Seelen, die dir fehlen!


O Liebe, die den Stern gesandt

Hinaus in's ferne Morgenland,

Die Könige zu rufen;

Die laut durch ihres Boten Mund

Sich gab den armen Hirten kund,

Wie bist du still geworden?


Noch eine fromme Hirtin liegt

In blinden Schlummer eingewiegt,

Und träumt von grünen Bäumen.

Singt nicht vor ihrem Fensterlein

Ein Engel: Esther, laß mich ein,

Der Heiland ist geboren?

Quelle:
Wilhelm Müller: Gedichte. Berlin 1906, S. 25.
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