Purim

[26] Was meint sie mit dem Aschenkleide

An diesem freudenreichen Tag,

Wo Alles gern in Sammt und Seide,

In Gold und Steinen prangen mag?


Es schwimmt das festlich bunte Zimmer

In hoher Kerzen Duft und Schein:

Sie schleicht sich aus der Freude Schimmer,

Und steht am Fenster ganz allein.


Da legt sich, wie ein weißer Schleier,

Des Mondes Strahl um ihr Gesicht,

Und eine stille, tiefe Feier

Aus ihren sel'gen Augen spricht.


O wär' ich aus den Truggestalten

Der wilden, blinden Maskenlust,

Und dürfte meine Hände falten

Entlarvt im Tempel ihrer Brust!

Quelle:
Wilhelm Müller: Gedichte. Berlin 1906, S. 26-27.
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