Amor, ein Fiedler

[73] Amor lernt die Fiedel spielen

Bei dem Gott der Musikanten,

Und zu diesem Pfingstgelage

Will er vor dem Thor der Schenke

Unter grünem Maienschatten

Sich bei uns zum ersten Male

Unentgeltlich hören lassen.

Kommt, ihr Bursche! Kommt, ihr Mädchen!

Kommt und tanzt nach seiner Fiedel!

Und sie tanzen und sie springen,

Und die Füße mit den Herzen

Heben sich in gleichen Takte

Nach dem Striche seines Bogens.

Schneller, schneller, kleiner Fiedler!

Und er fiedelt nach Verlangen,

Daß die Kränze, Sträuße, Flechten,

Bänder, Schürzen, Röcke fliegen,

Und die Tänzer enger fassen

Ihre leichten Tänzerinnen.

Ei, und dennoch sind so viele

Ausgeglitten, fehlgetreten,

Gar gestolpert und gefallen

Auf dem glatten Rasenplane!

Aber, Dank dem weichen Grase,

Weh gethan hat sich nicht Eine.[73]

Quelle:
Wilhelm Müller: Gedichte. Berlin 1906, S. 73-75.
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