Rückblick

[116] Es brennt mir unter beiden Sohlen,

Tret' ich auch schon auf Eis und Schnee.

Ich möcht' nicht wieder Athem holen,

Bis ich nicht mehr die Thürme seh'.


Hab' mich an jedem Stein gestoßen,

So eilt' ich zu der Stadt hinaus;

Die Krähen warfen Bäll' und Schloßen

Auf meinen Hut von jedem Haus.


Wie anders hast du mich empfangen,

Du Stadt der Unbeständigkeit!

An deinen blanken Fenstern sangen

Die Lerch' und Nachtigall im Streit.


Die runden Lindenbäume blühten,

Die klaren Rinnen rauschten hell,

Und ach, zwei Mädchenaugen glühten! –

Da war's geschehn um dich, Gesell!


Kömmt mir der Tag in die Gedanken,

Möcht' ich noch einmal rückwärts sehn,

Möcht' ich zurücke wieder wanken,

Vor ihrem Hause stille stehn.

Quelle:
Wilhelm Müller: Gedichte. Berlin 1906, S. 116.
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