Abschied

[131] Was soll ich erst kaufen

Eine Feder und Tint'?

Buchstabiren und Schreiben

Geht auch nicht geschwind.

Will selber hinlaufen

Zu der Nannerl in's Haus,

Will's mündlich ihr sagen:

Unsre Liebschaft ist aus!


Unsre Liebschaft ist zerrissen,

Wird nimmermehr ganz;

Und morgen da führ' ich

Ein' Andre zum Tanz.

Es springen viel Dirnen

Und singen dazu,

Ach Nannerl, ach Nannerl,

Doch Keine wie du!


Unsre Liebschaft ist zerrissen,

Unsre Liebschaft ist aus!

Ich klopfe nicht wieder

An der Nannerl ihr Haus.

Der Häuser giebt's viele

Mit Fenstern darein;

Doch's klinget kein Fenster

Wie deines so fein!


Unsre Liebschaft ist zerrissen –

Leb' wohl denn, mein Kind!

Was ist's, daß so beißend

Aus den Augen mir rinnt?

Es weinen viel Bursche

Und jammern dabei –

Doch, Nannerl, 's kömmt Keinem

Vom Herzen so treu!
[131]

Unsre Liebschaft ist zerrissen,

Mein Herze dazu –

Ach Nannerl, mein Nannerl,

Was meinest denn du?

Und müssen wir scheiden

In jetziger Zeit,

Führ' Gott uns zusammen

In die ewige Freud'!


Quelle:
Wilhelm Müller: Gedichte. Berlin 1906, S. 131-132.
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