Der Zechbruder und sein Pferd

[104] Romanze.


Ich hatt' einmal ein Gaul,

Das thät schön galoppiren,

War von gar frommer Art,

Ein Kindlein konnt' es führen;

Doch wenn es an ein Wirthshaus kam,

Den Kopf es in die Beine nahm,

Warf in den Sand mich lieber,

Als daß es ging vorüber.


Der Wirth saß vor der Thür,

Und sprang herzu behende;

Gleich stand das Rößlein still,

Als ob's ein Zauber bände.

So ging's in Stall und Stub' hinein,

Das Roß fraß Hafer, ich trank Wein:

Das Rößlein wurde wählig,

Der Reiter wurde selig.


Da fiel es denn mir ein,

Das Rößlein zu verkaufen,

Das mich so tückisch zwang,

Mich täglich zu besaufen.

Denn ach! viel Schenken giebt es hier,

Und überall gut Wein und Bier:

In jeder nur ein Gläschen,

So wirbelt's schon im Näschen.


Verruchtes Teufelsthier!

Nun hatt' ich's in den Taschen,

Als baares blankes Geld,

Vollauf zu tausend Flaschen.[104]

Doch um zu zeigen, wer ich sei,

Wollt' ich am Wirthshaus frank und frei

Gleich 'mal vorübergehen,

Ohn' auch hinein zu sehen.


Und als ich ging vorbei,

Da ward das Geld lebendig,

Und wühlt' und stieß und sprang

Umher so ganz unbändig,

Als wollt' es auf der Stelle schier

Zermalmen alle Rippen mir,

Bis ich mich ließ bethören,

In's Wirthshaus einzukehren.


Da fand das arge Geld

Bald seine gute Ruhe.

Nun liegt der ganze Schatz

Schon in des Schenken Truhe.

Ach, aber tief in meinem Bauch

Da liegt das Gaul, die Thaler auch,

Und treiben's zum Erbarmen

Noch immer mit mir Armen.


Wenn ich ein Wirthshaus seh',

Fängt's in mir an zu toben,

Als wollt' es kehren gleich

Das Unterste zu oben.

Und sprech' ich in dem Wirthshaus ein,

Der Wirth, der Schuft, giebt keinen Wein

Für's Gaul und's Geld im Magen,

So arg sie mich auch plagen.

Quelle:
Wilhelm Müller: Gedichte. Berlin 1906, S. 104-105.
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