Weisheit im Wein

[101] Wollt ihr werden weise Leute,

Liebe Brüder, macht es heute,

Wie es gestern ward gemacht.

Trinket Wein! Er weckt die Geister,

Macht die blöden Zungen dreister

Und erhellet jede Nacht.
[101]

Also haben es gehalten

Unsre lieben tapfern Alten,

Sie beriethen sich beim Glas,

Und die neuen Diplomaten

Halten auch auf Wein und Braten

Und hernach auf dies und das.


Glaubt ihr, ohne gute Weine

Käme Deutschland auf die Beine?

Liebe Brüder, glaubt es nicht!

Frankfurt zapft die allerbesten

Seinen hohen weisen Gästen,

Und sie ehren ihre Pflicht.


Freuet euch! An Gottes Segen

Ist das Meiste doch gelegen,

Und er segnet Main und Rhein.

Nicht bei Wassern oder Bieren

Will man uns konstituiren,

Und die Freiheit lebt im Wein.


Deutsches Recht und deutsche Reben,

Deutsches Licht und deutsches Leben,

Steigt empor im deutschen Land!

Freudig folgen wir dem Zügel

Dessen, der vom besten Hügel

Erntet an des Rheines Strand.

Quelle:
Wilhelm Müller: Gedichte. Berlin 1906, S. 101-102.
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