Wach' auf!

[203] Wach auf, mein Meer, und brause!


Grell blitzt der letzte Abendschein –

ich geh im weichen Sande.

Es kommt die Nacht, die Nacht bricht ein,

und Dunkel deckt die Lande.


Wach auf, mein Meer, und treibe

die Wogen über das dunkle Land!

fahl steht der Sturm am Himmelsrand,

grün blinkt des Vollmonds Scheibe.


Ein herzblutroter Streif im Nord

wie Völkerzorn, wie Haß und Mord,

wie letzte Lebensröte –

Dumpf gärt und grollt's im Flutenschoß;

ein Schrei der Qual, der Lust bricht los;


nun brause, Meer, und – töte!


Quelle:
Clara Müller-Jahnke: Gedichte, Berlin [1910], S. 203.
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