Die Helden des Dampfes

Robert Fulton

Zu Anfang dieses Jahrhunderts standen sich eines Tages zwei Männer in den Tuillerien gegenüber, von denen der Eine in höchst reservirter Haltung einer beredten Demonstration des Anderen zuhörte, und am Schlusse derselben mit mitleidigem Achselzucken erwiderte:

»Au Vicêtre!«

Der Vicetre, jetzt Staatsgefängniß, diente damals als Irrenhaus, und die beiden Männer waren Napoleon Bounoparte und der Amerikaner Robert Fulton, welcher Ersteren für sein Projekt, Schiffe mit Hilfe des[53] Dampfes zu bewegen, gewinnen wollte. »Au Vicêtre, geh' in's Irrenhaus!« war also die Antwort. Aber als kaum ein Jahrzehnt später der gefangene corsische Löwe an Bord des Northumberland nach St. Helena transportirt wurde, soll er sich jenes Gespräches erinnert und schmerzlich ausgerufen haben:

»Als ich Fulton aus den Tuillerien wieß, habe ich meine Kaiserkrone weggeworfen!«

Robert Fulton war nach Einigen 1768, nach Anderen 1769 zu Little-Britain, Grafschaft Lancaster in Pennsylvanien geboren und sollte Goldschmied werden. Da er in der Lehrzeit ein bedeutendes Talent zum Zeichnen entwickelte, so fand er einige wohlhabende Gönner, mit deren Hilfe er nach London zu seinem Landsmanne, dem berühmten Maler Benjamin West kam, um in dessen Atelier sich in der Kunst desselben auszubilden.

Nach einiger Zeit indeß sah er ein, daß er auf diesem Felde nie etwas Großes werde leisten können und trat deßhalb in eine geschäftliche Verbindung mit dem Mechaniker Ramsey, dem Erfinder des Turbinenbootes. Seine Geschicklichkeit erwarb ihm Ansehen und einflußreiche Bekanntschaften, so daß er bald einen Ruf nach Paris erhielt, um Panoramen einzurichten. Diese Arbeit brachte ihm pecuniäre Mittel, in derem Besitze es ihm leichter wurde, seinen mechanischen Projekten nachzuhängen.

Aus dieser Zeit stammt seine Erfindung einer Marmor- und Polirmühle, einer Seilermaschine wie auch des Torpedo, mittelst dessen Schiffe angebohrt und gesprengt werden können. Vorzüglich aber war sein Denken auf die Herstellung eines Schiffes gerichtet, welches mit Hilfe der Dampfmaschine bewegt werden könne.

Schon im Jahre 1803 machte er auf der Seine bei Paris verschiedene Versuche mit einem Dampfboote, dessen Geschwindigkeit freilich nicht zufriedenstellend war, und da die von Napoleon erfochtenen Siege damals das ganze französische Volk berauschten, so fanden seine Bestrebungen überhaupt nicht viel Anklang.

Er ging deßhalb nach England, sah sich aber auch nicht befriedigt und kehrte nach Amerika zurück.

Hier baute er in New-York ein Dampfschiff, welches im Frühjahr 1807 fertig und mit einer Watt'schen Maschine von 20 Pferdekräften versehen wurde. Es hieß »Clermont« und versuchte am 30. Oktober seine erste Fahrt auf dem Hudson zwischen New-York und Albany. Es brauchte sowohl zu der 120 Seemeilen langen Hin- als auch Zurückfahrt allen schlimmen Wahrsagungen zum Trotze nur 32 Stunden und hatte sie ohne Unfall zurückgelegt. Es diente fortan als Passagierboot zwischen den beiden genannten Städten und wurde im nächsten Winter auf 140 Fuß Kiellänge vergrößert. Somit gebührt also Fulton das Verdienst, den Dampf der Schiffahrt dauernd unterthänig gemacht zu haben.

Nach vieler Mühe erlangte er vom Kongresse das alleinige Patent zur Dampfschifffahrt auf den bedeutendsten Flüssen der vereinigten Staaten; doch mußte er das Privilegium für die meisten derselben um geringen Preis verkaufen, da er sich in Geldverlegenheit befand.

Auf Grund seiner Angaben ließ die Regierung nun auch eine Dampffregatte von 32 Kanonen bauen, welche 145 Fuß lang, 55 Fuß breit und mit einem Wasserrade versehen war, welches durch eine Maschine von 120 Pferdekräften in Bewegung gesetzt wurde. Das Schiff hatte zwei Masten, zwei Bugspriete und vier Steuerruder, um ohne Wendung beliebig vor- und rückwärts fahren zu können.

Leider sah er dieses erste Kriegsdampfschiff nicht auf den Wogen schwimmen, sondern starb am 24. Februar 1815 mit Hinterlassung einer Schuldenlast von mehr als 100,000 Dollars. Seine Kinder wurden in Anerkennung seiner Verdienste vom Staate mit einer klingenden Dotation bedacht.

»Au Vicêtre, ins Irrenhaus mit ihm!« – Wie oft mag der Blick des entthronten Kaisers über die weite Fläche der nie ruhenden See geschweift sein, und wenn dann mit jedem anlegenden Schiffe ein neues Zeugniß von Englands Seemacht vor seinem Auge auf den Wogen schaukelte und die Gespenster von Abukir und Trafalgar in seiner Erinnerung auftauchten, so hat er wohl auch denken müssen an Robert Fulton, dessen Erfindung es ihm allein ermöglicht hätte, England, seinen ärgsten Feind, zu demüthigen.

Quelle:
Die Helden des Dampfes. Robert Fulton. (Mit hoher Wahrscheinlichkeit von Karl May verfaßt). In: Schacht und Hütte. 1. Jg. Nr. 7. S. 53–54. – Dresden (1875), S. 53-54.
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