1.

[29] Ich lag an einem Raine

Mit meinem dürren Stab.

Was lauf ich? Meine Beine

Erlaufen nur das Grab...


Ein Wandrer zog derenden,

War noch ein Knabe fast,

Der hielt als Stab in Händen

Den blütenreichsten Ast.
[29]

»Grüß Gott dich, schöner Wandrer!

Bist du es, Knabe Lenz?«

Er rief: »Ich bin kein andrer

Und komme von Florenz!«


Das mußte mich erwecken.

»Kind Lenz, ich wandre mit!«

Wir hoben unsre Stecken

In einem Schritt und Tritt.


Die beiden Stäbe hoben

Kind Lenz und ich zugleich;

Auch meiner ward von oben

Bis unten blütenreich.


Quelle:
Conrad Ferdinand Meyer: Sämtliche Werke in zwei Bänden. Band 2, München 1968, S. 29-30.
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