Weihnacht in Ajaccio

[114] Reife Goldorangen fallen sahn wir heute, Myrte blühte,

Eidechs glitt entlang der Mauer, die von Sonne glühte.


Uns zu Häupten neben einem morschen Laube flog ein Falter –

Keine herbe Grenze scheidet Jugend hier und Alter.


Eh das welke Blatt verweht ist, wird die Knospe neu geboren –

Eine liebliche Verwirrung, schwebt der Zug der Horen.


Sprich, was träumen deine Blicke? Fehlt ein Winter dir, ein bleicher?

Teures Weib, du bist um einen lichten Frühling reicher!
[114]

Liebst du doch die langen Sonnen und die Kraft und Glut der Farben!

Und du sehnst dich nach der Heimat, wo sie längst erstarben?


Horch! durch paradieseswarme Lüfte tönen Weihnachtsglocken!

Sprich, was träumen deine Blicke? Von den weißen Flocken?


Quelle:
Conrad Ferdinand Meyer: Sämtliche Werke in zwei Bänden. Band 2, München 1968, S. 114-115.
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