Das verlorene Schwert

[133] Der Gallier letzte Burg und Stadt erlag

Nach einem letzten durchgekämpften Tag

Und Julius Cäsar tritt in ihren Hain,

In ihren stillen Göttertempel ein.[133]

Die Weihgeschenke sieht gehäuft er dort,

Von Gold und Silber manchen lichten Hort

Und edeln Raub. Doch über Hort und Schatz

Hangt ein erbeutet Schwert am Ehrenplatz.

Es ist die Römerklinge kurz und schlicht –

Des Juliers scharfer Blick verläßt sie nicht,

Er haftet auf der Waffe wie gebannt,

Sie deucht dem Sieger wunderlich bekannt!

Mit einem Lächeln deutet er empor:

»Ein armer Fechter, der sein Schwert verlor!«

Da ruft ein junger Gallier aufgebracht:

»Du selbst verlorest's im Gedräng der Schlacht!«

Mit zorn'ger Faust ergreift's ein Legionar –

»Nein, tapfrer Strabo, laß es dem Altar!

Verloren ging's in steilem Siegeslauf

Und heißem Ringen. Götter hoben's auf.«


Quelle:
Conrad Ferdinand Meyer: Sämtliche Werke in zwei Bänden. Band 2, München 1968, S. 133-134.
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