XIV
Lügengeister

[387] Der Zaubrer Faust erschien am Hof zu Mainz,

Er liebt der Kardinäle Purpur, scheint's.


Verhangen ward ein Saal und blaß erhellt

Für die Besuche der Gespensterwelt.
[387]

Der Kurfürst setzte sich. Ihm stand ich links.

Der bleiche Magier harrte seines Winks.


Natürlich ging die erste Frage da

Nach der erlauschten Bübin Helena.


Er rief der Leda Kind. Es zeigte sich

Ein blanker Fuß und tanzte wunderlich.


Das leere Gaukelspiel, das mich verdroß,

Entzückte den vernarrten Pfaffentroß.


Was schiert die Metze mich? Herr Nekromant,

Seid Ihr mit edlern Toten nicht bekannt?


– »Wen fordert Ihr?« Den Kaiser Konstantin!

Er rief. Ein Purpurtragender erschien.


Ich frage Majestät, ob ihr gedenkt,

Daß sie dem Papst die ew'ge Stadt geschenkt?


»Ja«, nickte das Gespenst. Wie? Wo? und wann?

Ein Märchen ist's, das Eigennutz ersann!


Es ist Betrug und das beweis ich stramm

Mit scharfer Kunst, die nennt man Criticam.


Du bist ein Pfaffengeist! Zur Hölle fort!

Der Lügenkaiser schwand vor meinem Wort.

Quelle:
Conrad Ferdinand Meyer: Sämtliche Werke in zwei Bänden. Band 2, München 1968, S. 387-388.
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