XVIII
Die Gebärde

[392] 's war in der Krone, daß mich einer fand,

Der mich in meinem ersten Flaum gekannt.


Der Ott von Gemmingen. Er drückte sich

Durch das Gelag und rückte neben mich.


»He da! Utz! Lieber Utz! Was ward aus dir?

Bist du am Hof von Mainz ein großes Tier?


Bist Doctor juris utriusque du?

Des Kaisers Schreiber oder Rat dazu?


Nein? Nun, was bist du denn? Des Hofgerichts?«

Ich aber sagte trocken: Ich bin nichts.


Jetzt mustert' er mein ausgedient Gewand,

Die hohlen Wangen auch, die magre Hand.
[392]

»Eins bist du: Siech! Das redet dein Gesicht!«

Ich glaubte mich geheilt und bin es nicht.


Da streckt' den Finger er und zog damit

Sich sauber um die Gurgel einen Schnitt.


Du rätst...? Er nickte. Drob hab ich gelacht.

Dann hab ich der Gebärde nachgedacht.


Unleidlich scheint dem frohen Kind der Welt

Dein Dasein, Hutten – drum verbrauch's als Held!


Wovor des kühnsten Mannes Busen zagt,

Das sei von dir in freier Lust gewagt!

Quelle:
Conrad Ferdinand Meyer: Sämtliche Werke in zwei Bänden. Band 2, München 1968, S. 392-393.
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