XXII
Der Komtur

[396] Als ich entlang das helle Seegestad

Nach Pfäffers ritt ins heiße Felsenbad,


Wo man in Unterwelt und Wellenguß

An schwankem Seile niederschweben muß,


Wo keck zur Hölle fahren Mann und Weib

Und wiederkehren mit geheiltem Leib –


Fand ich in Küsnach gastlich Nachtquartier

Und scherzend sagte der Komtur zu mir:


»Braucht Ihr Moneten? Tuet nicht verschämt!

Der Pächter brachte zwanzig Gulden. Nehmt!


Werft keinen nieder! Hier ist's unerlaubt. Nehmt!

Und Ihr habet bloß den Staat beraubt!


Mein teurer Ritter, nehmet ungeziert!

Wir werden morgen säkularisiert


Und lieber als dem Staat, der alles frißt,

Gönn Euch ich's, der ein Mensch und Würfler ist.«
[396]

Ich strich es ein und schwang mich in den Sitz

Und lachte: Herr Komtur, Ihr habet Witz.


Und weiter oben, wo sich biegt der See

Und nah und näher tritt der ew'ge Schnee,


Bespiegelt' in der Flut ein Eiland sich,

Daran ich leichten Sinns vorüberstrich.


Ich ließ es rechts im flücht'gen Wellenspiel

Und ahnte nicht mein letztes Wanderziel.
[397]

Quelle:
Conrad Ferdinand Meyer: Sämtliche Werke in zwei Bänden. Band 2, München 1968, S. 396-398.
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