LXIII
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[447] Mein Ende steht bevor! Mir hat geahnt.

Mich hat mein Franz der Sickingen gemahnt.


Ich saß im abendstillen Kämmerlein

Just zwischen Tageslicht und Ampelschein –


Stracks ging ein Reutersmann durch mein Gelaß.

Er trug ein rot Barett. So schien er blaß..


Ha, Sickingen, du bist's, mein Kampfgespan!

An meine Brust, du redlicher Kumpan!


Da log Frau Fama wieder einmal dreist!

Sie rief ins Land, daß du getötet seist.


Du lebst, mein Vielgetreuer! Du entrannst!

Ich gönne dir's, daß du noch fechten kannst...


Er schwieg. Ich sah des Auges mindre Glut,

Das sonst so trutzig drohte unterm Hut.


Doch schaut' er selig, da die Schattenwelt

Für einen Helden keine Schmach enthält.


An mir vorüber schritt er ohne Wort

Und wandte noch sich an der Schwelle dort.
[447]

Und winkte mir gelassen mit der Hand,

Als wollt er sagen: Komm nun! – und verschwand.

Quelle:
Conrad Ferdinand Meyer: Sämtliche Werke in zwei Bänden. Band 2, München 1968, S. 447-448.
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Huttens letzte Tage, Engelberg