XXXII
Luther

[408] Je schwerer sich ein Erdensohn befreit,

Je mächt'ger rührt er unsre Menschlichkeit.


Der selber ich der Zelle früh entsprang,

Mir graut, wie lang der Luther drinnen rang!


Er trug in seiner Brust den Kampf verhüllt,

Der jetzt der Erde halben Kreis erfüllt.


Er brach in Todesnot den Klosterbann –

Das Große tut, nur wer nicht anders kann!


Er fühlt der Zeiten ungeheuren Bruch

Und fest umklammert er sein Bibelbuch.


In seiner Seele kämpft, was wird und war,

Ein keuchend hart verschlungen Ringerpaar.


Sein Geist ist zweier Zeiten Schlachtgebiet –

Mich wundert's nicht, daß er Dämonen sieht!

Quelle:
Conrad Ferdinand Meyer: Sämtliche Werke in zwei Bänden. Band 2, München 1968, S. 408.
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