Achtes Kapietel

[28] Die »Goodefroo«! –

Damit kein Irrtum is: Der Dreimastvollrigger »Goodefroo« auf dem Pinaß von Jan Marbst gebaut.

Wer hat sie gesehen?[28]

Ach, nöch im Hafen.

Nö, beim 63. Grad unter Kap Horn durch die tobende See ßtürmen. Junge, Minsch, was 'n Spaaß!

Aber der Kapitän? –

Jan Döös von Blankeneese is Kaptein; is ja wahr, hat bei ßtattlichem Oberleib kurzes krummes Beinwerk, is ja Tatsache.

Keiner ßtreitet dagegen.

Aber nu is er ja schon lange daudt.

Aber der Stüermann?

Hochmütlich war er, achott, weiß es doch 'n jeder und Kakerlatjes konnte er nu nich sehen, nich von weitem, Gitt i Gitt.

Man hat ihn nie tühnen hören.

Getühnt hat er nur ßpäter, ganz heimlich und ganz selten ma mit Antje Pferdmenges und ihren Kindern. Wer hat den Stüermann Pe Ontjes Lau gesehen?

Aber der Maat?

Nichts über den Maat!

Klaus Sievers war Maat!

Ein finstern Mensch; ßtammte aus reichem Bauerngeschlechte aus Borchfelde. –

Hatte da ma geflügt mit 17 Jahren und 4 Pferden.

Da war das Handferd ausgeglitten und sein Vater hatte ihm ins Gesicht geßtarrt und ihn gefragt: »Hest du all 'n dröche Unnerbüx?«[29]

Und das hatte dem Jungen das Herz gebrochen. –

Nu hatte er so 'n ßtarres Gesicht und war Maat auf der »Goodefroo«.

Ja, ja, so sind sie all von Borchfelde, ungebeugt und ßtaark.

Aber die Back?

Is 'n ganz unnötich Anfragen.

Ein gutes Schiff, ein guter Kaptein können immer ne gute Mannschaft haben.

Und Kuddl Twintichsöth und Piet Pferdmenges waren auch mit bei. –

So blieb es 35 Tage, denn kam mit eins rauh Wetter, und Kuddl dachte bei jede Bö, die kam, und bei jede See, die mittschiffs ging: nu kommt es, Heilig-Land.

Nu kommt es.

Es kam aber noch nich. –

Aber die Fockschoot klemmte ihm arch doll den Finger ein.

Da lief er wimmernd von die Fockwant zum großen Stüermann Pe Ontjes Lau und jammerte immerlos:

Pe Ontjes – – süßer Pe Ontje – mein Finger, ach kiek ma, – au, au! –

Und denn ließ Pe Ontjes mit eins wenden, und alle Mann trösteten Kuddl, und als denn Torril Torrilsen, der Gute, der älteste von die Backbordschen,[30] von Achterdeck kam und ihm Puste – Puste auf Fingerchen machte, da wurde es besser mit ihm.

Arbeiten aber ließen se ihn nicht mehr, auch als es auf zu ßtürmen hörte!

Und denn wurde Heine Marquard, der eben auf Deck lag und flötete, zu Pe Ontjes gerufen.

»Hast du deinen Cäsar und Xenophon mit?« saachte der.

Ja, saachte Heine Marquard verbaast. –

Und denn gab Heine Marquard Kuddl Twintichsöth seinen Cäsar und Xenophon und zeigte ihm, wie Griechisch und Lateinisch is.

Kuddl stand in Verwunderung vor diesem neuen Weg.

Nu kommt Heilig-Land, dachte er bei jedem Kapietel, nu kommt es. –

Hei, was hatte der für 'n Lebensunterricht!

Quelle:
Gustav Meyrink: Gesammelte Werke, Band 4, Teil 2, München 1913, S. 28-31.
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