IV. Gesellschaft

[112] Bei Doktor Serbes ist Soiree. –

»Huhuu – huu – hu,« – es wird gesungen und Klavier gespielt.

Es ist schon zehneinviertel Uhr, und immer noch huuu – huhuu – wird gesungen. –

Dem Herrn Richtov knurrt der Magen.

Die Tochter des Hauses ist weiß lackiert.

Endlich wird serviert.

Krebse auf einer Schüssel, kleine steinharte Krebse, – denn der Monat hat vier »r«. –[112]

Aber in der Mitte (der Schüssel natürlich) liegt ein Hummer.

Man sticht hinein, es prasselt; der Hummer ist nur eine Attrappe.

Also an die Krebse! – Für jeden Gast ist einer da.

Plötzlich knallt es, – ein Herr ist mit dem Messer ausgerutscht und hat fast den Teller zertrümmert. Sein Krebs aber ist über den Tisch und unter das Buffet geflogen.

Die übrigen Gäste lassen entmutigt von den ihrigen ab, und das Gericht wird abgetragen.

Es werden Stimmen laut, einer oder der andere der Krebse müsse ein Briefbeschwerer gewesen sein.

Ein Lachs kommt, – – mit Kartoffeln.

Man will hineinstechen!

Ausgeschlossen!

Der Lachs ist roh. Nicht einmal ausgenommen.

Man nimmt Kartoffeln.

Der Lachs ist natürlich absichtlich nicht gekocht.

Er wird erst morgen mittag gekocht.

Schon wieder kracht etwas; der Terrier des Hauses ist unter das Buffet gekrochen und knackt den Krebs.

Also doch kein Briefbeschwerer!

Ein neuer Gang: – – – Lebkuchenherzen.

Jawohl, jawohl, Lebkuchenherzen![113]

Und dann kommt das Dessert: die zwei Dienstmädchen bringen auf einem Tablett ein Kindergrab herein.

Ringsherum in Eierbechern ist Gefrorenes.

Das Kindergrab aber ist leider leer.

Dann sollte wieder – – huuuhuuuh – gesungen werden, aber das wird dem Herrn Richtov zu dumm, und er geht in die Küche und läßt auf seine Kosten von den Dienstmädchen hundert Paar heiße Würstel und zwanzig Liter Bier aus dem Wirtshaus holen.

Das freute alle sehr, und besonders die Familie Serbe, die ein über das andere Mal in die Hände klatscht und sagt, es kommt ihr so ungeheuer lustig und originell vor, wie da mit einem Schlage aus dem Souper ein Picknick geworden sei.

Und heiterer Laune essen sie sämtliche Würste auf bis zu


Ende.[114]

Quelle:
Gustav Meyrink: Gesammelte Werke, Band 4, Teil 2, München 1913, S. 112-115.
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