Der deutsche Jüngling, an sich selbst

[229] 1773.


Ermanne dich, mein Geist, sei frei!

Und brich das Sklavenjoch entzwei,

Das deutschen Nacken schändet!

Nicht deutsch ist sie, nicht deiner wert,

Die Herzensliebe wimmern hört,

Und sich zu Buhlen wendet![229]


Sei deutsch, mein Geist! – O Vaterland,

Ich habe lange dich verkannt,

Und Männerruhms entbehret.

Zu ihren Füßen warf ich mich!

Ein Deutscher, ach, ein Deutscher ich!

Entehret, ach, entehret!


Vergieb mir! O mein Herz und Sinn,

Und alles, was ich hab' und bin,

Sei künftig dir geweihet!

Dein sei mein ganzes Hab und Gut!

Dir fließe jeder Tropfen Blut,

Wenn Feindesmacht dir dräuet!


Dein sei mein Lied! und all mein Lohn,

Daß Enkel noch, und Enkelsohn

Mein stilles Grab umringe,

Und, wann sein Mund dir Treue schwört,

Ein deutsches Lied, von mir gelehrt,

Zu deinem Ruhm erklinge!


Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 50, Stuttgart [o.J.], S. 229-230.
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