Gesang zwischen Eliel, Elisens, und Uriel, Amyntens Engel

[253] 1775.


Uriel.


Eliel, mein Auserwählter,

Eliel, umarme mich!


Eliel.


Uriel, mein Auserwählter,

Feuriger umarm' ich dich!


Uriel.


Denn ihr Kummer ist verschwunden,


Eliel.


Denn sie haben sich gefunden,


Beide.


Die uns Gottes Hand vertraut!


Uriel.


Nach so vielen trüben Tagen,


Eliel.


Nach so vielen bangen Klagen,


[253] Beide.


Ward Elis' Amyntens Braut!


Uriel.


Eliel, mein Auserwählter!


Eliel.


Uriel, mein Auserwählter!


Beide.


Komm, o komm, umarme mich!

Die Erkornen fanden sich.


Uriel.


Bruder, Bruder, welche Freude,


Beide.


Welche Wonn' umfloß uns beide,

Als, herab vom Paradies,

Mich Amyntens / Elisens Herz zu bilden,

Nach der Sterblichen Gefilden

Gottes Stimme schweben hieß!


Uriel.


Als ich, gleich den Lebensbäumen,

In des Knaben Seele keimen

Jede Männertugend sah!


Eliel.


Als, mit himmelsheitern Zügen,

Ich den neuen Engel liegen

An der Mutter Brüsten sah!


Uriel.


Bruder, Bruder, welche Wonne,

Allerwärmend, gleich der Sonne,

Junge Seelen zu durchglühn!


Eliel.


Neue Seligkeitsgenossen,

Edle, blütenvolle Sprossen

Gottes Garten zu erziehn!


[254] Uriel.


Wie die königliche Ceder

Vor den Bäumen, ragt vor jeder

Seine Seel' im Sonnenstrahl.


Eliel.


In der Rose Schönheit hüllte

Ihre Seele sich, und füllte

Früh mit Duft das Blumenthal.


Uriel.


Wie an festlichen Altären

Der Gesang von tausend Chören

Sich zu Einem Lob' erhebt;

Also wurden seine Triebe

Von der reinsten Feuerliebe

Zu dem Ewigen durchbebt.


Eliel.


Wie in sonnenheller Fläche

Sich des Lebens goldne Bäche

Still dem Throne Gottes nahn;

Also wallten, reiner immer,

In der Demut mildem Schimmer,

Ihre Thaten himmelan.


Uriel.


Aber seine Freuden welkten;

Traurigkeit und Lieb' umwölkten

Sein verblühtes Angesicht.

Ach! er sahe Sie, und brannte;

Und dein frommes Mädchen kannte

Seiner Seele Jammer nicht!

Bang umschwebt' ich seine Qualen,

Und ihm Trost ins Herz zu strahlen,

War ich, doch umsonst, bemüht.

Freund, du sahest meinen Kummer,

Sangest bei Elisens Schlummer

Einst ein mitleidvolles Lied!


[255] Eliel.


Freund, in dämmernden Gesträuchen

Sah ich deinen Jüngling schleichen,

Wo Elise, denkend, schlich.


Wenn der Vögel Lied ertönte,

Hub ihr Busen sich, und sehnte

Unbewußt nach Liebe sich.


Uriel.


Ach, sein Kummer ist verschwunden!


Eliel.


Ach, sie hat den Freund gefunden!


Beide.


Ihre Seelen sind vereint!

Wie mit dankendem Entzücken

Sie hinauf zum Himmel blicken!

Wie ihr Auge Freuden weint!


Ewig heilig, ewig teuer

Sei euch dieses Tages Feier,

Der auf ewig euch vereint!


Jährlich wollen wir ihn feiren,

Und der Liebe Glück erneuren,

Die auf ewig euch vereint!


Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 50, Stuttgart [o.J.], S. 253-256.
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