Der Tag und die Nacht

[86] Aus der Laube der Dämmerung,

drin sich der Tag und die Nacht

ein Weilchen geliebt,

scheucht ihn des Abends Ruf.


Aber die Nacht

eilt ihm nach ...

Und wie sie dahinstürmt,

löst sich ihr herrliches Haar

und fällt ...

Sie wankt,

bricht in die Kniee –:

Weithin

hüllen die schwarzen Strähnen

die Erde.


Lange verharrt sie so

dunklen Grams.


Aber schon sehe ich

ihren Geliebten

wiederkehren

und der Vorsonnendämmerung

schweigende Laube

neuer Umarmungen

kurzem Entzücken

winken.

Quelle:
Christian Morgenstern: Sämtliche Dichtungen. Abteilung 1, Band 2, Basel 1971–1973, S. 86-87.
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