Eine Leichenpredigt auf einen alten lahmen und einäugigen Pudel.

[78] Wohl dir! sagte Hartknopf, da er mit untergeschlagenen Armen, den Kopf gesenkt, auf die Leiche herunter sahe – und: wohl dir! stimmte der Emeritus ein –

Sie scharrten darauf mit ihren Stäben, so gut sie konnten, ein Loch in die Erde, legten den Pudel sanft hinein, und scharrten mit den Füßen einen kleinen Hügel von Erde über ihn zusammen – darauf gingen sie Hand in Hand den Berg herunter, und wanderten wieder dem Thore zu, und als sie nun bald am Thore waren, kam ihnen der Gastwirth Knapp entgegen, und fragte, ob sein Pudel nicht bei ihnen wäre; denn er pflegte sonst immer des Morgens vor sein Bette zu kommen, und ihn durch ein sanftes Bellen zu wecken – und heute habe er die Zeit verschlafen –[79]

Sey er unbekümmert, sein Pudel verschläft auch die Zeit, sagte Hartknopf, er liegt in guter Ruhe – der Scharfrichter Hagebuck hat ihn auf dem Galgenberge durch einen sanften Stoß vom Leben zum Tode gebracht – und wir haben ihn ehrlich begraben, daß kann er versichert seyn – will er ihm auch ein Epitaphium setzen, so will ich ihm den Fleck zeigen, wo er liegt.

Ja, ja! sagte der Gastwirth Knapp, er hat gut Reden – der Pudel ist ihm wohl freilich nicht so aus Herz gewachsen – aber er wird doch auch zurückdenken können, daß ich und der Pudel ihm noch das Geleite gaben, da er auf die Wanderschaft ging, und das ist doch keine kleine Zeit her – wodurch wächst einem denn eine Sache ans Herz, als durch die Zeit? – Zwar er hat während der Zeit mit dem Pudel weiter keinen Umgang gehabt, und hat auch durch Briefe nichts von ihm erfahren – – mich aber hat er alle Morgen frühzeitig geweckt, indem er vor mein Bette kam, und sanft bellte. – Lieber Vetter, der Hund ist meine Uhr gewesen – ich konnte mich nach ihm richten, wenn es Essenszeit war; dann scharrte er an der Thüre, und ich[80] fand immer, daß es gerade die rechte Zelt zum Essen war – daß er mir zweimal das Leben gerettet hat, wird er wissen, oder weiß er es nicht, so will ich es ihm erzählen. –

Ich weiß es, er hat es mir gestern erzählt, sagte Hartknopf – Nun so wird er doch auch wissen, daß er dabei das erstemal lahm wurde, und das zweitemal ein Auge verlohr – darum laß' er meinen Pudel in Frieden ruhen, und spotte er nicht mit dem Epitaphium! –

Ich spotte nicht, sagte Hartknopf – sondern wenn er will, so will ich ihm selbst eine Grabschrift machen helfen, die wollen wir aufschreiben und wie eine Fahne an einen Stock heften, daß sie Hagebuck morgen früh mit seinen Zöglingen lesen kann:


Der einäugig und lahm

Hier sein Ende nahm,

War einäugig und lahm,

Weil er zweimal seinem Herrn

In Todesnoth zu Hülfe kam.

Ein Schuft erschlug ihn,

Sein Herr beweint ihn,

Die Erde deckt ihn,

Sie deck' ihn leicht![81]


Schreib' er mir doch das auf Vetter, sagte Knapp – und Hartknopf schrieb es ihm auf –

Drauf tröstete der Emeritus seinen Gevatter Knapp, über den Verlust seines Pudels, und sagte, der Pudel sey gleichsam ein Emeritus, oder ein ausgedienter gewesen, der denn doch auch einmal in Ruhe zu seyn wünschte. –

Aber er war auch gewiß ein sehr meritirter Emeritus, erwiederte Knapp – war er es nicht?

Allerdings, sagte der Emeritus – das verlohrne Auge war sein Stern, und das lahme Bein sein Ordensband –

Das Gleichniß hinkt! – sagte Hartknopf – Laß er es hinken! erwiederte der Emeritus.

Quelle:
Karl Philipp Moritz: Andreas Hartkopf. Eine Allegorie, Berlin 1786, S. 78-82.
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