Das baner der warheit.

[187] Die baner, die sie lassen fliegen,

Wöln sie mit list euch mit betrigen.

Das erst, das sie der warheit nennen,

Das selb wir baß dan sie erkennen

Vnd haben fünfftzehen hundert iar

Das selb getragen hoch embar,

Mit aller warheit her getragen.

Got geb doch, was drei ketzer sagen![187]

Ob dis vnd das ein warheit sei,

Cristlichen oder ketzerei,

Das hat die frum cristenheit

Mit grosem kosten, vil arbeit

Alles wol vnd recht erkant,

Gegeben trüwlich zů der hant

Vnd hat euch warlich nit betrogen,

Vff dise stund auch nichtz erlogen,

Vß got vnd nit den fingern gesogen.

Der warheit baner ist beliben,

On alle lügen hoch beschriben

Von den lerern vß der gemein

Vnd nit von dreien erst allein.

Was vnsere lerer beschriben hant,

Warhafftig hon wir das erkant.

Vnß sol als billich geglaubt werden

Als zwenen, dreien mit geferden.

Sol man zwenen glauben geben,

So glaubt man billicher da neben

So vil tusent cristen man,

Die nie kein mensch erzelen kan.

Darumb laß dich ir list nit schedigen,

Wa du die lügner hörtest predigen.

Die warheit sag ich dir.

Würff in das cristlich baner für

Vnd sag, ich glaub die cristlich gemein

Vnd halt für warheit das allein,

Was mir erkent die cristenheit

Vnd nit, was ieder prediger seit.

Die gemein hat zů erkennen das,

Was warheit oder lügen was;

Was antrifft die gantze gemein,

Das sol nit handlen einer allein.

Die cristen das für warheit hant,

Was gemeine cristen hon erkant[188]

Vnd nit, was einer in sunderheit

Für ein warheit predigt, seit.

Es sein freuel böse wicht,

Die irer eren achten nicht

Vnd nemen sich zů erkennen an,

Das vor die gantze gemein hat than.

Der warheit baner ist der gemein,

Das sie in eren tregt allein.

Wer das vff würfft in sunderheit,

Thůt wider eer / sein pflicht vnd eidt.

Wa du nun hörst von warheit sagen,

Da soltu bald vnd ernstlich fragen,

Ob das die gemeine cristenheit

Auch für ein warheit halt vnd seit.

Halt sie es dan für warheit nit,

So weich vom selben schneller drit

Vnd lauff dem grosen huffen zů,

Da findstu sicherheit vnd růw.

Dan billich mir zůhanden stat,

Wie es dem merern huffen gat,

Den cristus nimerme verlat.

Quelle:
Thomas Murner: Von dem großen lutherischen Narren, in: Thomas Murners Deutsche Schriften mit den Holzschnitten der Erstdrucke, Band 9, Straßburg 1918, S. 187-189.
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