Der ander sturm.

[221] Wolher / wolher! sein all gerist!

So vnß der erst sturm geraten ist,

Zům andern gat es an die feste,

Ia die ich acht die aller beste!


Das schloß wir ergreiffen wellen

Mit sturm erobern, lieben gsellen,[221]

Darin hat gefliehet alles land;

Was burger vnd die buren hand,

Golt vnd silber, korn vnd wein,

Das hon sie alles gefiert drein.

Wan wir die festin möchten gewinnen,

Als ir dan manlich stürmen künnen[222]

Vnd woltens můtlich greiffen an,

Den sturm vnß helffen hie bestan,

So wolt ich geben düppel solt,

Acht guldin iedem knecht in golt,

Vnd alles gůt in sackman geben,

On das der knecht gewint darneben.

Das müst in alles sampt bleiben,

Ja iren kinden, iren weiben,

Dan würden sie in reichtum ston,

Ja nimerme zům bettel gon.

Ach, lieben knecht, nun achten nicht,

Das niemans zů vnß heruß sticht

Vnd vff den muren niemans ist.

Sie thůn es alles vff ein list,

Das sie so stil sein vff der fest;

Die fogel werden vnß im nest

Vnd halten sich gar steiff vnd stil.

Ist iemans, der sich wagen wil,

Dem wil ich tusend guldin geben,

Der hinyn steig vnd lůg vnß eben,

Was doch für ein folck din ist,

Wie sie zů stürmen sein gerist.

Hie bin ich, hauptman! sprach hanß mist,

Ich wil mein leben dapffer wagen,

Wie sie gerüst sein, alles sagen.

Her büchsen, schützen, leiter an,

Ir sollen zů der porten stan.

Was ich euch heiß, das vnderston,

Vnd lůgt, das ir daruon nit lon.

Ich sihe kein menschen in der fest;

Die fogel sein al vß dem nest.

Ein suw ligt dort, die ist die best.

Ich bin ab / in das schloß gestigen,[223]

Ein suw find ich da in der stigen,

Sunst ist hie weder mensch noch fihe,

Das ich im gantzen schloß ersihe.

Din ist auch weder brot noch wein,

Vnd nit ein har geflöhet drein.

Al hoffnung vnd al gůter won,

Der wil vnß hie verfallen schon;

Wir soltens haben baß besunnen.

Wir hon ein grobe suw gewunnen.

Es ist ein schand, wa man das seit,

Das wir den fleiß hon angeleit

Vnd nit me erkriegen künnen,

Dan ein arme suw gewinnen!

Doch ist das best da nit vergessen,

Das wir doch kotfleisch hon zů essen.

Quelle:
Thomas Murner: Von dem großen lutherischen Narren, in: Thomas Murners Deutsche Schriften mit den Holzschnitten der Erstdrucke, Band 9, Straßburg 1918, S. 221-224.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Von dem großen lutherischen Narren
Von Dem Grossen Lutherischen Narren. Hrsg. Von Paul Merker
Murner, Thomas; Schultz, Franz: Thomas Murners deutsche Schriften / Von dem großen Lutherischen Narren (Kritische Gesamtausgaben Elsassischer Schriftsteller Des Mit)
Von dem großen lutherischen Narren
Von dem grossen Lutherischen Narren
Von dem grossen Lutherischen Narren. Hrsg. von Paul Merker (German Edition)

Buchempfehlung

Weiße, Christian Felix

Atreus und Thyest. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen

Atreus und Thyest. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen

Die Brüder Atreus und Thyest töten ihren Halbbruder Chrysippos und lassen im Streit um den Thron von Mykene keine Intrige aus. Weißes Trauerspiel aus der griechischen Mythologie ist 1765 neben der Tragödie »Die Befreiung von Theben« das erste deutschsprachige Drama in fünfhebigen Jamben.

74 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon