warumb der groß nar in einem schlitten ist vmb gefiert worden.

[100] Faren schon in dem kalten schne,

Das ir dem narren nit thüen we:

Er ist vil anderer narren schwanger,[100]

Fiern in schon / vnd stelt in an branger.


O We vnd o we, das ich ye wardt!

Wie beschwert man mich so grusam hart,

Bei brůder eberhart seinem bart,

Narrabo / narrabis / narrabitis!

Ich můß sein sterben, ist gewiß,[101]

Oder alle ding verraten.

Ach yemer we der armen daten,

Das ich die wörter hab gehort,

Das ist ein kleglicher mort!

O lieber narrenbeschwerer, höre,

Durch got nit also hert beschwere!

Vnd wolt es dich ietz nit verdriessen,

So laß mich doch ietzund geniessen,

Das alle deine fründ auch narren woren,

Wie wol du ir kein hast beschworen.

So bistu selbs ein groser nar,

Der du ietz bist vnd bleibst es in die har.

Was darff es dises widerfechten?

Wir sein doch beid von gleichen geschlechten.

Mein vatter hieß Narration,

Mein můter Narrabuntza schon,

Die mich vff erden hat gemacht.

Ein gůt gesel in den schlitten bracht,

Vnd bin dir kumen nit zůschand.

Ich het gemeint, du hettest mich kant,

So bald ich dir mein namen nant.

Ach liebster vetter, hör mein bit,

Bruch solche harte wörter nit;

Ich zitter, als mich der ritten schit.

Ich wil dir es sunst in früntschafft fagen,

On alles beschweren selbs betagen,

Das du nit darffest ein wörtlin klagen.

Wie du mich hast vmb füren sehen,

Das ist dir zů gefallen geschehen.

Ich hab daran gantz nichtz gelogen.

Sie haben mich dir zů lieb vmb gezogen,

Ob du mich woltest kennen mer,

Das ich doch deins geschlechtz wer,

Vnd hettest ein besundere freud daran,

Das ich so höflich schlitten kan,[102]

Das man dich auch bei mir ermant,

Wie nahe der nar dir wer verwant.

Sie haben mit disen närschen sachen

Dich auch zů eim narren wöllen machen

Vnd das gethon vß zwo vrsachen.

Die erst, das sie dir wolten weren,

Das du nit soltest den Luther beschweren,

In geschrifften wider in beharren.

Des machten sie dich zů einem narren –

Ich bin selbs bei dem anschlag gewesen –

Vnd wer dein büchlin würd lesen,

Das er sie hielt für narren wesen.

Es haben es die Luthrischen gethon,

Die niemans wöllen schreiben lon

Wider den Luther hie vff erden,

Er müst sunst auch zů eim narren werden.

Sie wünschen glück vff des Luthers syt,

Er hab rechtlich oder nit.

Ich weiß noch me dan hundert man,

Die auch ein anschlag haben gethon;

So bald sich einer herfür treit,

Der nur ein wort von dem Luther seit,

So wöllen sie noch ein grösern narren

Dem selben füren vff einem karren.

Sie wissen, was der Luther schreibt,

Wa man red dar wider treibt,

So würd der merer theil vernüt;

Wa es kem für erber lüt

Vnd wa geschehe ein widerred,

Das weise lüt sie horten bed

Vnd möchten solchs ermessen schon,

Zů boden würd der Luther gon.

Darumb sie mit listigen sachen

Zů narren alle die wöllen machen,

Mit solchem fatzen herumb treiben,[103]

Das alle geschrifften dot bleiben,

Das niemans merck den argen list,

Das Luthers ler ein buntschůh ist.

Quelle:
Thomas Murner: Von dem großen lutherischen Narren, in: Thomas Murners Deutsche Schriften mit den Holzschnitten der Erstdrucke, Band 9, Straßburg 1918, S. 100-104.
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Murner, Thomas; Schultz, Franz: Thomas Murners deutsche Schriften / Von dem großen Lutherischen Narren (Kritische Gesamtausgaben Elsassischer Schriftsteller Des Mit)
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