X. Brief.

Der Schulmeister von Kargfeld an den Herrn v.S.

[52] Kargfeld, den 26. Mai.


Hochwohlgebohrner Herr, Gnädiger Herr,


Eur. Hochwohlgeb. werden verhoffentlich nicht ungnädig aufnehmen, wenn ich als ein unwürdiger Dorfschulmeister an Sie nach Engelland schreibe; wo Sie Sich, nach Aussage des Hr. Magisters, aufhalten sollen. Ich habe sonst viel von diesem Kaiserthume gehöret; und einige haben gar sagen wollen, es läg mitten auf einem großen Wasser. Wie sind Sie doch in die Welt hinüber gekommen, da Sie das Schwimmen sonst bei uns nicht gelernet haben? doch es mag seyn wie es will; wenn[53] Sie nur nicht etwa durch verbotene Künste (dafür Sie Gott bewahre) über die große See gegangen sind. Ich hatte viel zu schreiben; ich habe es aber alles wieder vergessen. Beiläufig – – das Gedächtnis legt mir seit einigen Jahren sehr ab; und ich bin jetzo willens, bei dem Oberconsistorio in einem Schreiben anzuhalten, daß wir eine Parucke zu tragen erlaubt seyn möge. Sonst bin ich noch ziemlich gesund, Gott sey Dank! der letzte Durchmarsch von den Türken hat mich freilich sehr mitgenommen. Da sie kamen, lief ich für Angst in die Kirche, schloß hinter mir zu, und kroch hinter die Pfeiffen in der Orgel; da mir aber salsa fenia einfiel, daß ich meine Gemeine nicht verlassen dürfte; so wollte ich doch wenigstens den Durchmarsch aus dem Thurmloche mit ansehen. Daß dich der Hammer! was waren das für Kerls. Die meisten sahen aus wie die heiligen drei Könige, welche in unserer Kirche abgemahlt sind. Rothe Brustlätze, Hosen bis auf die Schuh, schreckliche Bärte, Gesichter wie die Mohren! Ich schlug ein Creuz nach dem andern vor[54] mir; betete und sprach: Herr stürz sie in die Grube hinein.


Die sie machen den Christen dein.


Zum guten Glück blieben sie nicht im Dorfe, sondern zogen zur Mistgasse hinaus; wohin? weiß ich nicht. Einer war dabei, der saß in einer Kutsche. Niemals habe ich einen so gottlosen Bart gesehen, als der Kerl hatte. Er bedeckte seinen ganzen Leib: und ich glaubte ganz gewiß, daß er wegen diesen schweren Barte müßte gefahren werden. Mein Herr Pfarr sagte mir nachhero, es wären Createn, und keine Türken gewesen; der Schulze aber behaupte, es wären Panduren welches beides ich an seinen Ort gestellt seyn lasse.

Noch ein Punkt, welchen ich gleich Anfangs melden wollte. Unser gnädiger Herr, Ihr Herr Vetter, will auf seinem Schloß eine Orgel bauen lassen, und zwar in das Musiczimmer, wie ers nennt; welche ich denn, wenn er Concert halten würde, spielen sollte. Ich[55] kam freilich aus meiner Gelassenheit, da er mir diesen Antrag that, und diesem meinen Eifer ist auch folgende Antwort beizumessen. Hören Sie, was ich sagte? Gnädiger Herr, die Orgeln haben schon seit der Sündfluth in die Kirchen gehört, und nicht auf die Edelhöfe. Wer nun solche heilige Dinge misbraucht, der thut eine Sünde wider das dritte Gebot, und folglich auch wider alle: wir haben ohnedem eine Landstrafe nach der am der andern; (hier zielete ich unvermerkt auf die garstigen Türken, welche durchs Dorf giengen) wollen wir noch mehrere Sünde thun, und gar bei Gastereien die Orgel schlagen? An Statt, daß er in sich gehen, und von seinem bösen Vorhaben abstehen sollte; so lachte er mich nur aus, und sagte: daß Hr. Grandison in Engelland auch eine Orgel im Hause hätte: was jenem Recht wär, das wär ihm billig, und er müßte eine Orgel im Hause haben, es möchte auch kosten, was es wollte. Was soll ich nun machen, mein lieber und gestrenger Junker? Unser gnädiger Herr ist ganz gewiß ein Heide worden. Haben die Edelleute[56] in Engelland Orgeln, so mögen sie solche für sich haben, wir sollen uns hierinne aber christlicher aufführen. Es sind ohnedem die letzten Zeiten, wie unser Herr Pfarr spricht, da alle Laster im Schwange gehen, und also nothwendig allerlei Landplagen erfolgen müssen; wohin ich auch die garstigen Türken rechne, die durchs Dorf zogen, mir zwei Gänse todtschmissen und mitnahmen, meinem Nachbar sein Schwein ungerechnet: Wenn wir nun die Kirchensachen misbrauchen, und auf den adelichen Höfen in Musiczimmern orgeln wollen; was soll zuletzt daraus entstehen? Ich orgele nicht, und sollte er mir auch meinen grauen Kopf vor die Füße legen lassen. Melden Sie mir doch, gestrenger Junker, was es mit der Orgel des Herrn Grandisons in Ansehung der Register und Bässe für eine Beschaffenheit habe. Der Pfarr hat zwar noch nichts davon auf der Kanzel gesagt, ich glaube aber, er bricht gewiß einmal damit hervor, wenn das Werk zu Stande kommen sollte; oder weiset unsern gnädigen Herrn vom Beichtstuhl ab. Orgeln[57] gehören in die Kirche! damit holla. Eurer Gnaden wünsche viel Glück und Segen, und bin mit aller Zucht und Erbarkeit


Eur. Gestrengen

demüthiger und Ehrendienstwilliger

Lorenz Lobesan,

p. t. ludimoderator.

Quelle:
Johann Karl August Musäus: Grandison der Zweite, Erster bis dritter Theil, Band1, Eisenach 1760, S. 52-58.
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