XVIII. Brief.

Der Herr von N. an den Herrn von S.

[120] N. hall, den 30. August.


Lieber Vetter,


Uebersetzen Sie beikommenden Brief sogleich ins Englische. Es ist eine Antwort auf Sir Carls Gevatterbrief. Der Magister hat mir den Aufsatz machen müssen; ich denke, er soll eben so hoch, als gelehrt seyn. Ich habe funfzehn Gulden zu einem Geschenke beigelegt. Mehr kann ich gegenwärtig nicht entbehren! zumal, da wir neulich von den Kroaten so mitgenommen worden sind. Ewig Schade, daß ich nicht in Person habe stehen können. Das ist ein verdammter Streich, daß die Clementine verheirachet ist. Hätte der Pumpernickel nicht warten können? Fräulein Ormen mag ich nicht; es scheint mir eine Wehklage zu seyn, die einen nur die Ohren vollwinselt. Nun[121] ist also weiter nichts zu thun, als daß ich mich an Fräulein Julianen von W. wende. Ich würde sie längstens von meiner Liebe überzeugt haben, wenn ich nicht in Ansehung der Italienischen Gräfin in Ungewisheit gewesen wär. Nunmehro aber soll meine Braut eine einheimische Lady seyn. Hierinnen bin ich also Sir Carln nun mehro auch ähnlich. Juliane weiß noch nichts von meinen Gesinnungen: wie wird aber das gute Kind erstaunen, wenn ich bei ihr ankomme, und mich zu ihren Füßen werfe? Vielleicht seufzt sie bereits in geheim nach mir. Ich will also kommen, schönste Juliane! ich komme gleich. Ihre Schwester ist recht, wie ich sie mir wünsche. Das Mädchen macht mit, und wenn wir auf dem Kopfe tanzen wollten. So ist auch der Magister; wir leben mit einander wie Brüder. Das wird mir einmal ein lustiger Beichtvater werden, wenn der alte Pfarre abgehen sollte. Warum hat aber Sir Carl den Fresco castriren lassen? Ich wollte gleich noch funfzehn Gulden darum geben, wenn ich einen jungen Hund von der Race bekommen[122] könnte. Gestern hat mir der Oberförster von Burgthal einen Hünerhund geschenket; er ist aber noch ziemlich roh; ich denke, der alte Magister soll ihn schon dreßiren. Von unsern übrigen Umständen wird Sie Lampert benachrichtigen. Schließen Sie mich als Ihren treuen Oncle in Ihren Abendsegen ein, wenn Sie anders einen beten, und erwarten von mir ein gleiches. Ich bin


Dero

getreuer Vetter.

Quelle:
Johann Karl August Musäus: Grandison der Zweite, Erster bis dritter Theil, Band1, Eisenach 1760, S. 120-123.
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