XXIV. Brief.

Der Herr v.N. an Sir Carl Grandison.

[159] N. hall, den 1 Septembr.


Hochwohlgebohrner Baronet,

Vornehmer Freund und Gevatter.


Meine Bauren die Schlingel liegen mir heftig an, innliegende Supplik an Sie, mit einer guten Recommendation zu unterstützen. Ich weiß nicht, wer es[159] den Vögeln muß weiß gemacht haben, daß Sie der große Mann sind, der sich eine Freude daraus macht, allen armen Teufeln gutes zu thun. Sie haben das gute Vertrauen zu Ihnen, Sie würden es nicht übel deuten wenn sie den hochgeehrten Herrn Gevatter um eine Gnade ansprächen, und sie hoffen in Ansehung meines gültigen Vorspruchs keine abschlägliche Antwort zu erhalten. Ich will selbst die Gewährung dieser Bitte als das erste Freundschaftsstückgen ansehen. Sie haben mich zwar zu Gevattern gebethen, und das habe ich auch in allem guten vermerkt: wenn Sie aber meinen Unterthanen wiederum zu einer großen Schelle auf den Thurme helfen wollten; so würde ich das lieber sehen, als wenn ich von allen ihren Anverwandten die Reihe herum zu Gevattern gebethen würde.

Was macht den mein Pathgen gutes. Ich habe ein rechtes Verlangen, das kleine Ding zu sehen. Wenn mir Doctor Faust seinen Mantel borgte, so führe ich noch heute auf solchen,[160] nach Engelland zu Ihnen. Seitdem Sie mich zu Gevattern gebethen haben, ist mir eine große Lust angekommen, selbst einmal taufen zu lassen. Ich bin der Jüngsten eben keiner; ich bin aber doch auch kein Hogestolz. Wenn ich eine Henriette finden kann, so werde ich Ihrem Beispiele folgen und mich verheirathen. Ich kann es nicht leugnen, es ist ein hübsches Mädgen in meiner Nachbarschaft, auf die ich ein Auge habe. Es sind tausend Dinge, wonach ich mich erkundigen wollte, und von denen ich genaue Nachricht haben möchte; mein Bartlett, der Magister Lampert, soll deswegen an meinen Neffen schreiben, geben Sie diesem von allen umständliche Nachricht. Machen Sie meine Empfehlung bey Ihrer Frau Liebste, ich lasse ihr zum glücklichen Kirchgange, wie ich hoffe, gratuliren. Ihren Schwestern und Schwägern, dem guten ehrlich Oncle Selby und allen die mich kennen, empfehlen Sie mich. Ich verharre

Meines werthen Herrn Gevatters

gehorsamster Diener

v.N.

Quelle:
Johann Karl August Musäus: Grandison der Zweite, Erster bis dritter Theil, Band1, Eisenach 1760, S. 159-161.
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