XXXI. Brief.

Der Vater des Fräuleins v.W. an den Herrn v.N.

[211] Wilmershausen, den 13. Septembr.


Hochgeschätzter Herr Bruder,

Vielgeehrter Freund und Nachbar,


Aus dem Schreiben, welches Du vom gestrigen Dato an mich abgelassen, habe ich nebst meiner Frau nicht nur[211] die gute Absicht, welche der vielgeehrte Herr Bruder gegen mein Haus heget, erkannt, und bin deswegen dankbar; sondern ich habe auch bereits meiner Juliane vorläufige Nachricht von dem geschehenen Antrage gegeben, welche zwar Anfangs, wie solche junge Dinger bey dergleichen Gelegenheiten pflegen, heftig darüber zu erschrecken schien: auf mein und ihrer Mutter Zureden aber so viel zu verstehen gab, sie würde ihrem Vater in keinem Stücke ungehorsam seyn. Da nun die Ehen im Himmel geschlossen und auf Erden vollzogen werden; auch weder meine Frau noch ich dem Schlusse des Himmels widerstreben können: so ertheilen wir dem Herrn Bruder unsern älterlichen Consens desto lieber, weil Du jederzeit ein guter nachbarlicher Freund von mir gewesen bist; Deine Umstände uns größtentheils bekannt sind; Du auch überdem die männlichen Jahre lange erreichet, und das flatterhafte Wesen der Jugend, das an so vielem Unglück der Ehen Schuld ist, abgeleget hast. Wir haben anbei die gute Hoffnung, daß unsere Tochter[212] mit Dir ganz wohl fahren soll. Der Himmel beglücke euch beide mit seinem Segen, und führe das angefangene gute Werk glücklich hinaus. Mir wird es angenehm seyn, wenn ich mich werde nennen können


Meines vielgeehrten Herrn Bruders und

zukünftigen Eidams

treuer Freund und Schwiegervater

Hanns Georg v.W.


N.S. Auf kommenden Dienstag, wird seyn der 17. hujus, verfüge Dich zu uns, und bringe Deine werthen Anverwandten mit, da soll die Sache vollends ins reine gebracht werden.

Quelle:
Johann Karl August Musäus: Grandison der Zweite, Erster bis dritter Theil, Band1, Eisenach 1760, S. 211-213.
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