XLIV. Brief.

Der Magister an den D. Bartlett.

[327] Kargfeld den 22. Septembr.


Hochwürdiger Hochgeehrtester

Herr Doctor,

Vornehmer Gönner,


Es hat mir gestern das Fräulein v.S. Nachricht gegeben, daß sie heute an ihren Herrn Bruder schreiben würde, und zugleich habe ich die Erlaubnis erhalten,[327] ihren Brief mit einem Einschluß beschweren zu dürfen. Ich bediene mich dieser Erlaubnis gar zu gerne, weil ich dadurch Gelegenheit bekommen, Eu. Hochwürden eher als ich vermuthete, für Dero besondere Gewogenheit gegen mich den verbundensten Dank abstatten zu können. Vortreflicher Mann! Wo werde ich Worte finden, die Größe Ihrer Gewogenheit gegen mich, und meine Dankbarkeit gegen Sie, damit würdig zu bezeichnen? Wodurch werde ich mich der Ehre, die Sie mir verschafft haben, ein Mitglied einer berühmten königlichen Gesellschaft geworden zu seyn, würdig machen können? Wenn ich das Feuer eines Horaz, die Anmuth des Ovids und Pindars Stärke der Gedanken besäß; so wollte ich es wagen, Sie durch ein Lobgedichte zu verewigen. Allein Sie sind bereits über alles Lob erhoben, und es würde eben so viel seyn, als wenn ich einen Mohr bleichen wollte, wenn ich es unternähme, Sie der Nachwelt zu empfehlen; da Sie bereits in der Geschichte eines erlauchten Grandisons in einem so schimmernden[328] Lichte erscheinen, welches die düstern Schatten der entferntesten Zukunft durchdringen, und die Augen der spätesten Nachkommen rühren wird. Hier will ich aufhören, mehreres von Dero Ruhme zu gedenken, so gerne ich mich auch damit beschäftige, damit ich nicht in den Verdacht einer Schmeichelei gerathe. Der Auftrag meines Gönner an Sie verschafft mir noch auf einige Augenblicke das Vergnügen, mich mit Ihnen zu unterreden. Mein Principal weiß, wie gerne sich der Baronet nothleidender Personen annimmt, und wie viel Sie darzu beitragen können, daß er das Maas seiner Wohlthaten gegen dergleichen Leute vergrößert oder verringert. Aus einliegenden drei Briefen werden Sie einen Mann kennen lernen, der des Mitleidens des Herrn Grandisons vor andern würdig ist. Er hat lange Zeit bei dem Herrn v.W. einem Freunde meines Gönners als Verwalter seiner Güter in Bedienung gestanden; vor einigen Tagen aber das Unglück gehabt, seine Dimißion zu erhalten. Dieser gute Mann[329] hegt gegen den Herrn v.N. die ungegründeten Gedanken, als wenn er an seinem Unglücke einige Schuld hätte. Und ob ich gleich die Unschuld meines gnädigen Herrn durch eine bekannte Distinction gnugsam gerettet habe; so will doch dieser einfältige. Mann sich davon gar nicht überzeugen lassen. Vielleicht habe ich Gelegenheit, in kurzem Eu. Hochwürden eine ausführliche Nachricht von den Unternehmungen meines Patrons, die ihm seinem großen Muster ähnlich machen, zu ertheilen, hierdurch werde auch in dieser Sache vollkommenes Licht bekommen. Sie können es indessen auf mein Wort glauben, daß mein Gönner so wenig geneigt ist, Leute unglücklich zu machen als der Ihrige, und daß wann es in seine Macht stünde, Jederdermann glücklich seyn würde. Um hiervon auch den unglücklichen Bornseil zu überführen, mußte ich ihm allerhand feine Vorschläge thun, die er aber doch alle verworfen hat; ia er drohete so gar in der Desperation zwei seiner Kinder meinem Gönner vor die Thür setzen zu lassen. Da nun dieses in Deutschland[330] für etwas schimpfliches gehalten wird, und man allerlei ungleiche Urtheile darüber fällen könnte, wenn mein Patron auf solche Art ein Pflegevater werden sollte; so that ich ihm gestern den Vorschlag, diesen Mann, der allezeit einen ehrlichen und unbescholtenen Lebenswandel geführet hat, Eu. Hochwürden und der Gütigkeit des Herrn Baronets zu empfehlen. Mein Principal fand hierbei nichts einzuwenden. Ich ließ deswegen den trostlosen Bornseil zu mir erfodern, und eröffnete ihm, daß mein gnädiger Herr Willens wäre, ihm eine gute Versorgung zu schaffen, wenn er sich entschließen wollte, außerhalb seines Vaterlandes solche anzunehmen. Er war über diesen unerwarteten Antrag außerordentlich erfreuet, und versicherte mich, daß er bereit wäre, bis ans Ende der Welt nach seiner Versorgung zu gehen, wenn er sich und seine Familie nur ehrlich nähren könnte. Ich stellte hierauf ein kurzes Examen mit ihm an, um zu erfahren, ob er der Recommendation Eu. Hochwürden würdig wäre, und da habe ich denn nach einem genauen Tentamine befunden,[331] daß er zwar in seinem Catechismus eben nicht sonderlich beschlagen gewesen; ob ich gleich nicht kann in Abrede seyn, daß er einige Reimgebetlein noch ganz fertig hersagen konnte. Allein die Regeln der Haushaltungskunst waren ihm desto besser bekannt. Er wußte eine große Menge derselben theils aus dem Becher, theils aus den Colero, in deutschen Reimen verfaßt auf dem Nagel herzusagen. Insbesondere konnte er gleich ex tempore alle Tage, welche im Kalender mit einem rothen Kleeblat bezeichnet sind, nennen. Nicht minder besitzt er auch eine große Erkänntnis öconomischer Erfahrungen, die Witterung zu beurtheilen, und auf viele Wochen Frost und Hitze, Regen und Sonnenschein vorherzusagen. Eben ein so gutes Zeugnis kann ich ihm auch in der Rechenkunst ertheilen, die schwersten Aufgaben wußte er in kurzer Zeit genau und glücklich aufzulösen. Die Regel Detri und welsche Practik verstehet er aus dem Grunde; insbesondere aber hat er etwas in der Regula Falsi gethan. Da nun dieser gute Mann sein[332] Pfund vergraben müßte, wann er sollte gezwungen seyn, dem Kalbfelle nachzuziehen, und da über dieses mein gnädiger Herr es als eine ganz außerordentliche Gefälligkeit ansehen würde, wenn Eu. Hochwürden so viele Achtung für sein Vorbitten haben und diesen unglücklichen Mann, der es nicht durch sein Schuld geworden ist, Ihrem Gönner recommandiren wollten: so habe ich das Vertrauen zu Dero bekannten Menschenliebe, daß Sie mich nicht eine Fehlbitte thun lassen werden, wenn ich mich mit meinen Patron vereinige, und Sie angelegentlichst ersuche, sich über diesen Verlassenen zu erbarmen, und ihm wieder zu einer zureichenden Versorgung behülflich zu seyn. Mein unvorgreiflicher Vorschlag ginge unmaßgeblich dahin, daß dem ehrlichen Bornseil die Verwaltung von einen der Güter des Herrn Baronets in Irrland aufgetragen würde; oder wo dieses nicht seyn könnte, daß Sie ihn doch wenigstens den Herren Commissarien von Neugeorgien und Südcarolina bestens empfehlen wollten, um ihn einen Wohnplaz in Neuebenezer,[333] oder an einem andern schicklichen Orte anzuweisen. Ich erwarte mit nächstem von Ihnen Verhaltungsbefehle, wenn besagter Bornseil mit seiner Familie von hier nach Engelland abreisen soll, und was Sie etwan sonst noch mir befehlen werden. So viel getraue ich mir mit Wahrheit dahin zu behaupten, daß ich den großbrittanischen Staaten einen sehr nützlichen Bürger verschaffen werde. Es will unter der Hand verlauten, daß Ew. Hochwürden in kurzem ein erledigtes Bißthum erhalten würden, ich wünsche Ihnen im voraus Glück dazu. Mein Gönner empfiehlt sich Ihnen nebst mir und ersucht Sie, eben dieses für ihn bei Sr. Hochwohlgebohrn. dem Herrn Baronet und dessen vortrefflichen Frau Gemahlin zu thun. Ich empfinde in meinen Herzen allemal ein rührendes Vergnügen, wenn ich Gelegenheit habe mich zu nennen.


Ew. Hochwürden,

Meines Hochgeehrtesten Herrn Doctors

gehorsamsten Diener

L. Wilibald,

Phil. D.

Quelle:
Johann Karl August Musäus: Grandison der Zweite, Erster bis dritter Theil, Band1, Eisenach 1760, S. 327-334.
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Grandison der Zweite oder Geschichte des Herrn von N.
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