VIII. Brief.

Von S. an seinen Oncle.

[39] Grandisonhall den 19. Junius.


Sie thun mir viel Ehre an, daß Sie an mich schreiben, und nochmehr, daß Sie mich zu Ihren Gesandten an Sir Carln machen. Ich bewundere und verehre Ihren Einschluß, diesem großen Britten nachzuahmen; und wer ist auch fähiger, auf eine ähnliche Art zu denken und zu handeln, als mein hochgeschätzter Herr Oncle? Sie werden nunmehro Ihrem alten Hause einen neuen Glanz geben, und allen unsern Ahnen eine wahre Ehre machen.

Es war den 3ten dieses, als ich zu Grandisonhall ankam. Das Schloß ist fürstlich, und völlig so, wie es Fräulein Lucia beschreibt.

Sir Carl empfing mich mit einem großen freimüthigen, aber höchst einnehmenden Wesen.[40] Er wußte die Lobeserhebungen, die ich ihm höchst verdienter Weise, als einem berühmten Manne, machte, auf eine sehr bescheidene Art abzulehnen.

Es wurden meinen Begleiter und mir zwei Zimmer im andern Stockwerke angewiesen. Sir Carl verlangt, daß ich etliche Monate bei ihm bleiben soll; ich denke, ich werde nicht ungehorsam seyn.

Den 5ten. Wir sind heute ungemein vergnügt gewesen. Laly G. stattete nebst ihrem Gemahle und ihrer nunmehro 10jährigen Meerkatze, einen Besuch bei Sir Carln ab. Die Tochter ist das wahre Ebenbild von ihrer muntern Mutter. Wär das Meerkätzgen sieben Jahr älter; so –

Sir Carl, wendete sich während der Mahlzeit etliche mal an mich. Ihre Gesundheit wurde in einem großen Deckelglase ausgebracht, und von allen nach getrunken. Wollte der Himmel, sagte mein gütiger Wirth, daß ihr Oncle auf ein halb Jahr herüber kommen könnte! es muß ein vortreflicher Mann seyn,[41] wie ich aus ihrer ganzen Erzählung abnehmen kann. Morgen gehn wir auf die Jagd. Sir Carl wird seinen großen Fresco mitnehmen. Der König wollte ihm ein Gut dafür geben, welches jährlich 600. Pfund einträgt, wenn er ihm diesen seltenen Jagdhund geben würde; allein er schlug es Ihro Majestät ab.

Den 6ten. Das war eine Hauptlust! Es ist was übernatürliches mit dem Fresco. Er fieng ein Schwein, welches 6 Centner wog. Doctor Bartlett, wäre beinahe aus Versehen erschossen worden. Er will nicht wieder auf die Jagd gehen.

Den 7ten war wieder große Gesellschaft hier. Sir Beauchamp und seine Aemilia, erschienen auch. Abends war Bal. Wir tanzten bis vier Uhr. Es waren einige Fräuleins aus der Nachbarschaft da, mit welchen ich tüchtig herumsprang. Von Ihnen wurde etlichemal gesprochen. Lady G. möchte Sie so gerne tanzen sehen.

Den 8ten. Nun bin ich auch in der so berühmten Bildergallerie gewesen. Hier treffe[42] ich das Stücke an, welches Lovelcae gesehen hat. Der Ritter ist im vollen Harnische, und mit aufgehabenen Händen kniend abgemahlt. Die Gemahlin kniet gegen über, und hat sechs Mädchens mit molken haften Gesichtern hinter sich; so wie sich vier dickköpfigte und kurzöhrichte Jungens hinter ihm befinden. Das fromme Paar sieht gen Himmel, an welchem die Worte mit goldenen Buchstaben geschrieben sind: in coelo quics. Vielleicht haben sie manchen ehrlichen Zwist auf Erden gehabt.

Einer von Sir Carls Ahnen siehet Ihnen, geliebter Herr Oncle, sehr gleich. Es ist ein alter Obrister, welcher sich in den Kriegen mit den Schottländern, unter dem König Wilhelm, sehr hervorthat. Sir Grandison war außerordentlich erfreut, als ich ihm die Gleichheit zwischen Ihnen und dem alten Helden meldete. Dieses Bild, sagte er, soll mir nunmehro um desto schätzbarer seyn.

Den 9ten. Heute bin ich in der Kirche gewesen. Doctor Bartlett predigte von den[43] verschiedenen Unglücksfällen, welche den Menschen begegnen könnten. Morgen werden wir insgesammt aufbrechen, und nach Shirleymanor gehen, welchen Rittersitz Sir Carl, nach dem Tode der rechtschaffenen Frau Shirley, geerbet hat. Sie starb den 1 August 1756. Lady Grandison und ihr Gemahl waren bei dem Ende dieser Hochachtungswürdigen Matrone gegenwärtig. Der Liebling ihres Herzens, und Sir Carl empfingen nochmals ihren zärtlichen Segen. Oncle Selby, hat weinend ganz abscheulige Gesichter gemacht, wie mir Lady G. sagte.

Den 17ten. Gestern Abends kamen wir von unserer Lustreise wieder zurück. Ich bin nunmehro mit der ganzen Familie bekannt. Oncle Selby ist noch immer wie sonsten. Er überlacht dreißig andere, und wenn sie auch noch so sehr lachen könnten. Vetter Jacob dient als Cornet unter der schweren Cavallerie; Greville aber ist Obrister unter einem Landregimente. Es soll ihn keiner von allen Officiers im Fluchen aushalten können.[44]

Ormen, die Milchsuppe, habe ich auch gesehen. Er ist noch immer kränklich, und wird wohl schwerlich wieder hergestellt werden. Seine Schwester will ihm zu Gefallen ledig bleiben, und eine zweite Tante Lore werden. Im Vorbeigehen: Tante Lore, ist vor vier Jahren sehr ungern gestorben. Sie brachte ihr Leben auf 70 Jahr, drei Monate und 6 Tage.

Den 19ten. Heute wurde großes Concert im Musiczimmer gehalten. Viele benachbarte Edelleute, fanden sich dabei ein. Ich sehe, daß sich der Brittische Adel ungemein auf die Tonkunst legt. Sir Carl spielte den Generalbaß auf der Orgel. Zuweilen lösete ihn seine Henriette mit dem Flügel ab. Alexanders Gastmahl wurde auch aufgeführt. Sir Carl wunderte sich, daß Sie kein Instrument spielten, da Sie doch außerdem so ein vollkommener Cavalier wären.

So viel, für diesesmal. Ich habe eine bequeme Gelegenheit meinen Brief fort zusenden.[45] Ganz Grandisonhall empfiehlt sich Ihrer Gewohnheit und besonders


Dero

gehorsamster Diener

v.S.

Quelle:
Johann Karl August Musäus: Grandison der Zweite, Erster bis dritter Theil, Band1, Eisenach 1760, S. 39-46.
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