246. Die schwarze Greet.

[165] Zwei arme Fischer, die auf dem Schleswiger Holm wohnten, hatten die ganze Nacht vergeblich gearbeitet, und zogen zum letztenmal ihre Netze wieder leer herauf. Als sie nun traurig heimfahren wollten, erschien ihnen die schwarze Greet, die sich öfters den dortigen Fischern zeigt; sie kommt vom andern Ufer her, wo eine Stelle im Dannewerk in der Nähe von Haddebye nach ihr Margretenwerk heißt, und erscheint in königlicher Pracht mit Perlen und Diamanten geschmückt, aber immer im schwarzen Gewande – ganz so, wie sie früher auf dem Husumer Schloß im sogenannten Margretensaal zu schauen war. Die sprach zu den Fischern: »Legt eure Netze noch einmal aus, ihr werdet einen reichen Fang tun; den besten Fisch aber, den ihr fangt, müßt ihr wieder ins Wasser werfen.« – Sie versprachen es und taten, wie die Greet gesagt; der Fang war so überschwenglich groß, daß ihn der Kahn kaum fassen wollte. Einer der Fische aber hatte Goldmünzen statt der Schuppen, Flossen von Smaragd und auf der Nase Perlen1. »Das ist der beste Fisch«, sprach der eine, und wollte ihn wieder ins Wasser setzen. Aber der andre wehrte ihm und[165] versteckte den Fisch unter den übrigen Haufen, daß die Greet ihn nicht sähe; dann ruderte er hastig zu, denn ihm war bange. Ungern folgte ihm sein Gefährte. Aber wie sie so hinfuhren, fingen die Fische im Boote allmählich an zu blinken, wie Gold, denn der Goldfisch machte die übrigen auch golden. Und der Nachen ward immer schwerer und schwerer, und versank endlich in die Tiefe, in die er den bösen Gesellen mit hinabzog. Mit Not entkam der andre und erzählte die Geschichte den Holmer Fischern.


Volksbuch 1844, 87. – Mündlich. Es wird auch St. Margareta an der Stelle der schwarzen Greet genannt. So sagt man statt

Margreet (St. Margareten Tag)

pist in de Nœt.

auch:

Swatt Greet hett pist in de Nœt.

Wenn es an dem Tage regnet, werden die Nüsse faul. Schütze, Idiotik. III, 81. I, 66.

Fußnoten

1 Der Hauptfang der dortigen Fischer besteht in Brassen, deren Oberkiefer perlenähnliche Erhöhungen hat und deren Schuppen wie Gold glänzen.


Quelle:
Karl Müllenhoff: Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. Kiel 1845, S. 165-166.
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